Gastkommentar UN-Klimakonferenz: Brief für Kiribati
Der Inselstaat Kiribati im Pazifik ist vom Klimawandel existenziell bedroht. Honorarkonsul Walsh appelliert an die Bonner Konferenz.
B ei der UN-Klimakonferenz in Bonn müssen die Regierungen jetzt die nächsten Schritte bestimmen, mit denen sie das vor einem Jahr geschlossene Pariser Klimaabkommen umsetzen wollen. Kiribati begrüßt, dass mit der Umsetzung begonnen wurde. Allerdings heißt es im neusten Klimabericht der Vereinten Nationen, dass weltweit eine „alarmierend große“ Lücke zwischen den geltenden Plänen zur Minderung des CO2-Ausstoßes und den Reduzierungen besteht, die nötig wären, um den globalen Temperaturanstieg auf höchstens zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Bisher hat man sich auf nur zwei Drittel der CO2-Minderungen verpflichtet, die bis 2030 erforderlich wären, warnt der UN-Klimabericht. Selbst dann könnten die Temperaturen weltweit bis 2100 um drei Grad steigen. Keines dieser Szenarien würde die Zukunft unseres Landes sichern – jedes ist für uns lebensbedrohend.
Unser Land Kiribati besteht aus nichts als Küste: Nirgendwo auf unserem Staatsgebiet ist man mehr als etwa eine Viertelmeile vom Meer entfernt. Kiribati – das sind 33 weit verstreute Inseln im Südpazifik, verteilt auf drei Archipele mit einer Landfläche, die kleiner ist als das Stadtgebiet von Berlin und deren höchster Punkt nur drei Meter über dem Meeresspiegel liegt. Die Gefahr dass der Meeresspiegel steigt – seit 1992 um durchschnittlich 3,7 Millimeter pro Jahr – , wird zwar oft genannt, aber das ist nicht das einzige Problem. Unsere Süßwasservorkommen versalzen immer mehr, deshalb droht uns weniger, dass wir ertrinken, als dass wir verdursten!
Sturmfluten sind viel häufiger geworden. Bei den Springtiden der letzten Zeit waren viele Menschen Wellen von mehr als drei Meter Höhe ausgesetzt. Manche Dörfer wurden dabei zerstört, Ackerboden wurde ins Meer gespült, Brunnen wurden unbrauchbar gemacht. Wirbelstürme sind in den Gewässern von Kiribati häufiger geworden, auch sie haben den Atollen Schäden zugefügt. 2015 zerstörte der Zyklon „Pam“ mehr als 80 Prozent der Gebäude auf unseren beiden südlichsten Inseln Tamana und Arorae. In den Jahren mit La Niña, wenn die Meeresströmung vor Südamerika sich umkehrt, erlebt Kiribati lange Dürreperioden, das Süßwasser wird knapp, und die Korallen, die unser Land schützen, bleichen aus und sterben ab.
Der Trinkwassermangel
Die vom Regen gebildeten Trinkwasservorkommen auf unseren Atollen waren immer begrenzt. Der aus Korallen gebildete Kalkstein ist porös und lässt Salzwasser eindringen. Früher brachten wir aus Brunnen meist genug Trinkwasser für die Bevölkerung empor, aber mit dem Klimawandel und dem Anstieg des Meeresspiegels versalzen sie zunehmend. Schon jetzt haben wir nicht mehr die von der Weltgesundheitsorganisation geforderten 50 Liter pro Tag und Person zur Verfügung.
Dabei hätte die Menschheit die Mittel, die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern. Es gibt kostengünstige Methoden, um das Ziel zu erreichen und den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Es würde genügen, Solar- und Windenergie zu nutzen, stromsparende Geräte und sparsame Fahrzeuge zu entwickeln, Bäume zu pflanzen und die Entwaldung zu stoppen. Hier zu handeln hätte nur bescheidene Kosten oder würde sogar Geld sparen und könnte bis 2030 22 Gigatonnen Kohlendioxid einsparen.
Wir in Kiribati haben vor beinahe 15 Jahren erste Initiativen zur Anpassung an den Klimawandel eingeleitet. Wir managen unserer Wasserversorgung besser, wir haben den Schutz unserer Küsten verstärkt, indem wir Mangroven gepflanzt haben, wir haben unsere Energieproduktion auf Solarkraft umgestellt. Wir haben in Land und die Nahrungsmittelproduktion auf den Fidschiinseln investiert, damit wir unsere Bevölkerung weiter ernähren können, auch wenn die Versalzung unseres Grundwassers und der Böden weiter zunimmt.
Begrenzung auf maximal 1,5 Grad
Vor einem Monat hat die Regierung von Kiribati KV-20 veröffentlicht, unsere Vision von Kiribati für die Jahre 2016 bis 2036. Damit erkennen wir an, dass alle Politik sich bei uns dem Ziel des Klimaschutzes, der Anpassung an den Klimawandel und der nachhaltigen Entwicklung unterordnen muss. Das Problem dabei ist, dass wir zu unbedeutend sind, um globale Wirkung zu entfalten. Der CO2-Ausstoß von Kiribati ist der weltweit zweitgeringste. Pro Kopf betrug er 2005 nur zwei Prozent von dem eines Einwohners der USA.
Experten haben inzwischen erkannt, dass sich der Klimawandel seit dem Abschluss des Pariser Abkommen noch verschärft hat. Deshalb müssen wir nun das ehrgeizige Ziel anstreben, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen und den Ausstoß von Treibhausgasen bis spätestens 2050 auf null zu senken. Wir begrüßen die Einschätzung der UN, dass China, die EU, Indien und Japan sowie einige andere auf gutem Wege sind, ihre für 2020 gesetzten Ziele zu erreichen. Wir rufen alle, die nicht so weit sind, auf, es ihnen gleichzutun.
2017 erschien der von Paul Hawken herausgegebene Band „Drawdown“, der beschrieb, was mit entsprechendem Willen erreicht werden könnte: Wir könnten in einer Welt leben, in der wir beginnen, Kohlendioxid zu speichern. Er listet 100 nachweislich machbare Projekte auf, die alle deutlich kostensparend sind. Wir in Kiribati fordern nicht, dass die Nationen, die den Löwenanteil des Kohlendioxids ausstoßen, im Büßerhemd daherkommen. Wir fordern, dass sie sich ihrer eigenen Interessen bewusst werden.
Unser Freund und Nachbar Frank Bainimarama, der Regierungschef der Fidschiinseln, sagt es so: „Unser Treffen in Bonn kommt zu einer Zeit, in der es nicht ausreicht, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Ich möchte erreichen, dass die Konferenz in Bonn den positiven Wandel beschleunigt und mutigere Schritte beschließt, als wir für möglich gehalten haben. Ich rufe die Regierungen auf allen Ebenen, die NGOs, die Wissenschaftsgemeinde, die Unternehmen, Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft auf, mit mir eine breite Koalition zu bilden, um unseren Planeten, seine Menschen und alle Lebewesen, deren Heimat sie ist, zu retten.“
Wir hoffen und beten, dass seine Worte erhört werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe