Gastkommentar Notfallambulanzen: Es gibt bessere Alternativen
50 Euro für eine Behandlung in der Notaufnahme? Das ist eine unsinnige Patientenbestrafung, meint der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach.
D er Vorschlag des hochdotierten Vorstandsvorsitzenden der Kassenärzte, Patienten beim Besuch der Notfallambulanz einer Klinik mit einer Gebühr von 50 Euro zu bestrafen, ist absurd. Viele Patientinnen und Patienten können selbst nicht einschätzen, ob es sich bei ihren Beschwerden um eine akute schwere Erkrankung oder einen leichteren Fall handelt. Niemand setzt sich nur aus Bequemlichkeit stundenlang in den Wartesaal einer Notaufnahme.
Wer will sich schon tage- oder wochenlang mit Schmerzen quälen, weil er als gesetzlich Versicherter keinen schnellen Termin beim Facharzt bekommt? Und das bei der höchsten Facharztdichte in Europa. Patienten mit einer Gebühr von 50 Euro zu bestrafen, wenn sie gesünder sind als befürchtet, ist abwegig. Wir haben die Praxisgebühr abgeschafft, weil insbesondere sozial Schwächere damals schon von den 10 Euro überfordert waren. Die Folge war, dass dringend notwendige Arztbesuche verzögert oder gar nicht wahrgenommen wurden, mit oft schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen.
Wir brauchen keine Patientenbestrafung, sondern eine Struktur, die sich nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Patienten richtet und nicht umgekehrt. Sinnvoll sind Portalpraxen in den Kliniken, in denen kooptierte oder angestellte Ärzte einfache Fälle wie in einer normalen Praxis versorgen. Das bekommt die Kassenärztliche Vereinigung aber seit Jahren nicht organisiert. Zudem sollten die Kassenärzte lieber gravierende Mängel bei der Organisation ihrer Sprechzeiten beheben, um die Wartezeiten zu verkürzen. Der Koalitionsvertrag sieht das vor.
Die Sprechzeiten der Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen werden noch dieses Jahr auf zehn Stunden am Tag erhöht, damit gesetzlich Versicherte Termine bei Fachärzten innerhalb von vier Wochen erhalten. Dieser Service wird auch auf Haus- und Kinderärzte ausgedehnt. Zusätzlich werden die Pflichtsprechstunden bei Kassenärzten für gesetzlich Versicherte von 20 auf 25 pro Woche aufgestockt. Eine neue Gebühr hat deshalb keinen Sinn und keine Chance.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen