Gasförderung in der Nordsee: Patt im Bundesrat
Der Bundesrat positioniert sich nicht zum Gesetz zur Nutzung von Gasfeldern vor der Insel Borkum. Der Entwurf kommt nun unverändert in den Bundestag
Der Bundesrat hat sich nicht auf eine Stellungnahme zum Gesetz zur Umsetzung des deutsch-niederländischen Abkommens über die gemeinsame Nutzung grenzüberschreitender Erdgaslagerstätten verständigt. In der Sitzung der Länderkammer am Freitag fanden weder eine ablehnende Empfehlung des Umweltausschusses noch eine zustimmende Empfehlung des Wirtschaftsausschusses eine Mehrheit.
Damit verzichtet der Bundesrat in dieser frühen Phase des Gesetzgebungsverfahrens auf eine Positionierung. Der Gesetzentwurf kann nun unverändert in den Bundestag eingebracht werden. Erst nach dessen Beschlussfassung wird sich der Bundesrat erneut mit dem Gesetz befassen.
Das Gesetz soll die Ausweitung der Gasförderung in der Nordsee vor der Insel Borkum ermöglichen. Das Abkommen regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für die sogenannte Unitarisierung von Gasfeldern, die sich über die Hoheitsgebiete beider Staaten erstrecken.
Konkret geht es um ein Gasfeld rund 20 Kilometer vor Borkum, das vom niederländischen Unternehmen One-Dyas erschlossen wird. Das Unternehmen fördert dort bereits Gas auf niederländischem Gebiet.
Mit dem Abkommen könnten künftig auch deutsche Anteile des Feldes gemeinsam genutzt werden. Die technische Förderung erfolgt von einer Plattform auf niederländischer Seite aus; neue Förderanlagen auf deutschem Gebiet sind nach Angaben des Unternehmens nicht vorgesehen.
Die Bundesregierung sieht in dem Abkommen einen Beitrag zur Versorgungssicherheit. Das betroffene Gasfeld könne über mehrere Jahre hinweg einen Teil des deutschen Erdgasbedarfs decken. Zudem verweisen Befürworter:innen darauf, dass heimisch gefördertes Gas geringere Transportemissionen verursache als Importe aus Drittstaaten. One-Dyas betont, dass die Plattform mit Strom aus Offshore-Windenergie betrieben werde.
Erheblicher Widerstand gegen das Projekt
Gegen das Vorhaben gibt es erheblichen Widerstand. Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und der BUND warnen vor Risiken für das empfindliche Ökosystem der Nordsee und des Wattenmeers. Das Gasfeld liegt in räumlicher Nähe zum Unesco-Weltnaturerbe.
Kritiker:innen bezweifeln, dass mögliche Auswirkungen auf Meeresboden, Artenvielfalt und Wasserqualität ausreichend untersucht sind. Zudem verweisen sie auf die klimapolitischen Folgen: Neue fossile Förderprojekte stünden im Widerspruch zu den nationalen und internationalen Klimazielen.
Auch politisch ist die Entscheidung umstritten. Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) hatte sich zuvor hinter das Abkommen mit den Niederlanden gestellt. Es sei ein genehmigtes Verfahren, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur und verwies auf die Fortschritte beim Meeresschutz, für die er sich im Gegenzug eingesetzt habe.
Klagen gegen mehrere Genehmigungen
Gegen das Gesetz sprach sich die schleswig-holsteinische Landesregierung aus. Der grüne Umweltminister Tobias Goldschmidt erklärte die Ablehnung unter anderem damit, dass das Abkommen zu Lasten der Nordsee gehe und das Wattenmeer bedrohe. Es beschränke sich nicht auf ein spezifisches Fördergebiet, nenne kein Ende und kenne keine Einschränkungen. Neue Bohrtürme zu bauen, konterkariere den Ausbau erneuerbarer Energien und sende ein falsches Signal für die Energiewende.
Auch juristisch ist das Projekt weiterhin nicht abgeschlossen. Mehrere Genehmigungen, unter anderem für ein Strom- und Datenkabel zur Förderplattform, sind Gegenstand laufender Klagen. Umweltverbände haben angekündigt, weitere rechtliche Schritte zu prüfen.
Für die Insel Borkum bleibt die Gasförderung ein sensibles Thema. Teile der Bevölkerung befürchten negative Folgen für Tourismus und Umwelt, andere verweisen auf die Bedeutung einer sicheren Energieversorgung.
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