■ Garzweiler II: NRW-Grüne auf kompromißlosem Kurs: Scheidungsurkunde
Die grünen Strategen in NRW demonstrieren flügelübergreifend Einigkeit in Sachen Garzweiler II: Per Antrag empfehlen Linke, Realos und Fundis Hand in Hand dem Parteitag am kommenden Wochenende, sich gegen jede Kompromißlösung bei dem umstrittenen Braunkohletagebau auszusprechen. Diese rigorose Positionsbestimmung mag nach innen kurzfristig friedensstiftend wirken, doch langfristig dürfte die Partei dafür teuer bezahlen.
Da die SPD bezüglich Garzweiler II genau das Gegenteil will, manövriert der Antrag die Grünen in eine ausweglose Zwickmühle. Sollten die Gerichte das umstrittene Projekt absegnen, müßte die Partei automatisch die Koalition verlassen. Es sei denn, die Grünen nähmen erneut in Kauf, als Umfallerpartei dazustehen. So produziert man Niederlagen.
Daß die Genehmigung des Rahmenbetriebsplans jetzt als Endpunkt der Koalition festgeschrieben werden soll, ist vom Koalitionsvertrag – und das wissen alle grünen Spitzenpolitiker – in keiner Weise gedeckt. Dort steht nur, daß die Zulassung des Rahmenbetriebsplans „sorgfältig“ geprüft und nicht vor den Entscheidungen des Landesverfassungsgerichtes erfolgen soll. Außerdem sollen „vor Rechtskraft eines genehmigten Rahmenbetriebsplans keine Umsiedlungen“ stattfinden.
Wer sich auf den mit dem Antragstext verbundenen Automatismus einläßt, beraubt sich ohne Not jeder politischen Gestaltungsmöglichkeit und schreibt den Bruch der Koalition bei Strafe des Verlustes der eigenen Glaubwürdigkeit fest. Daß die Koalitionsgegner im grünen Lager diesem Text applaudieren, versteht sich von selbst. Die Frage ist nur, warum Koalitionsbefürworter wie Parteisprecher Rainer Priggen oder Umweltministerin Bärbel Höhn solch einen strategischen Unsinn unterstützen. Wie in der Vergangenheit lassen sie sich wider besseres Wissen von den vermeintlichen Hütern grüner Identität durch die politische Arena treiben.
Dabei wäre gerade jetzt ein offener Kampf für eine kluge grüne Politik nötiger denn je. Wer dem aus Angst vor der grünen Basis ausweicht, gräbt sich sein eigenes Grab. Denn noch einmal wird die grüne Partei einen Konflikt nach dem Muster des Dortmunder Flughafenstreits nicht aushalten. Deshalb dürfen jene, die einen Kompromiß nicht um jeden Preise ausschließen, jetzt nicht das Gegenteil verkünden. Walter Jakobs
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