Galerieempfehlungen für Berlin: Zukunftslandschaften und Witz-Tabletten
Tips der Woche: Begehbare Planeten mit futuristischem Flair bei Konrad Fischer und eingeschlossene Satzkissen im Pavillon am Milchhof.
Eingrabungen der Materialität: Alice Channers Zukunftslandschaft in der Konrad Fischer Galerie
Die Füße graben sich ein, wer es barfuß wagt, merkt: Das, was wie eine Kraterlandschaft rund um den Vesuv aussieht, ist unerwartet unstaubig und dafür von einer merkwürdigen Einheitlichkeit. So drängt sich das Bild eines künstlich erschaffenen Planeten auf.
Vielleicht macht man das ja in der Zukunft so: alles ist Holodeck, dreidimensionale Felsen werden von Roboterarmen aus Cortenstahl, Aluminiumbronze oder Glasfaserbeton gedruckt, und wenn es irgendwo zu unwirklich wird, lassen sich die Felsen ganz einfach umtransportieren, denn sie sind innen hohl.
Alice Channer referiert stattdessen die Vorzeit, um noch einen Quantensprung draufzulegen. „Early Man“ hat sie ihre Schau bei Konrad Fischer genannt. Der begehbare Planet heißt ganz archäologisch anklingend „Burial“. In der Tat bezeugen die artifiziellsten Elemente bei ihr die rudimentärsten Dinge.
Konrad Fischer Galerie.Di – Sa, 11-18 Uhr, bis 18. 6., Lindenstr. 35
Die Titel einer Gruppe aus Papierarbeiten wie „Inhaler“, „Filters“ und „Membrane“ klingen nach Raumfahrtsanzug, haben aber einen einfachen Bezug zum Zigarettenstaub, der Channer zum Zeichnen dient. Darin eingearbeitete Polyethylen-Mikrosphären wirken auch im Wissen um ihre Materialität noch wie winzige rote Sandmilben. Im 1. Stock die Skulptur „First Rebirth“: Ausfließender Lamé-Stoff erscheint als erhärtete Quecksilber-Formation, die sich per Spiegelfläche ins Unendliche ausweitet.
Fein dosierter Wortwitz von Larissa Aharoni und Julia Brodauf im Pavillon am Milchhof
Es erschließt sich nicht auf Anhieb: Da ist eine Wand, die Wand des Pavillon am Milchhof, mit bedruckten Laminatbrettern beklebt, auf denen in Kinderschrift seltsame Sätze geschrieben stehn wie „we are consciously uncoupluing“.
Dann, mit etwas Abstand, lässt es sich doch erkennen: Julia Brodauf hat für ihre Arbeit zwei Aussagen kombiniert: In einem eigentümlich alten Deutsch verfasste Haussegnungen aus Süddeutschland und Floskeln, die prominente Paare zu ihrer „bewussten Trennung“ in der Öffentlichkeit von sich geben. Ein Gegensatz, der durch Abblättern und Verwitterung verstärkt wird.
Pavillon am Milchhof24. Std. einsehbar, bis 22. 5., Schwedter Str. 232
Ein Clash zwischen Inhalt und Form besteht auch zwischen Religionswitzen aus Israel und großförmigen Sitzkissen im Innenraum. Für »A Jew, a Muslim, and a Christian walk into a Gallery…« hat Larissa Aharoni in Jerusalem Witze gesammelt und sie auf Kissen nähen lassen. Jetzt liegen diese wie überdimensionierte Tabletten im Showroom herum. Auch hier ironische Arbeit am Wort. Und wie das eben so ist mit Witzen, sind sie nicht alle gut, dafür aber bequem.
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