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Galeria-Schließung am AlexanderplatzEin Running Gag der Immobilienwirtschaft

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Das Galeria-Kaufhaus am Alex könnte künftig auch die Landesbibliothek beherbegen, meint die Commerz Real. Das ist die dreiste Aneignung einer Debatte.

Prangt hier künftig das ZLB-Logo? Die Commerz Real meint: ja Foto: IMAGO / Bernd Friedel

V erkommt der Berliner Alexanderplatz bald zu einer lebensleeren Betonwüste? Diese Sorge treibt seit vergangener Woche die Berliner Politik um. Grund ist die überraschende Ankündigung des Immobilienentwicklers Commerz Real, das Galeria-Kaufhaus bis Ende nächsten Jahres schließen zu wollen.

Dabei hat der Alexanderplatz schon jetzt nicht viel zu bieten. Vor allem austauschbare Konsumangebote wie Saturn, Primark und Burger King bestimmen den Platz, eingebettet in graue Betonarchitektur aus verschiedenen Epochen. Der Platz selbst ist meistens versperrt von weihnachtsmarktartigen Rummel- und Bratwurstbuden, die aus irgendeinem Grund das ganze Jahr über hier stehen.

Dementsprechend groß ist die Angst, dass der Wegfall des prestigeträchtigen Kaufhauses dem Ort den Rest gibt. „Die Schließung wäre „für den Alexanderplatz fatal“, sagte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Montag.

Halb so wild, beschwichtigt die Commerz Real. Immerhin sei die Schließung nur für zwei Jahre geplant, in dieser Zeit werde das Gebäude modernisiert. Danach soll Galeria zurückkehren, wenn auch in stark verkleinerter Form.

Ohnehin werde nach dem Umbau alles viel besser. Denn nach dem Umbau könnte auch die Zentral- und Landesbibliothek in das Warenhaus einziehen und kulturinteressiertes Publikum in die graue Konsumhölle locken, die der Alexanderplatz heute ist. Um den Punkt noch zu verdeutlichen, veröffentlichte die Commerz Real eine Render-Grafik, auf dem das Gebäude mit ZLB-Logo und gefüllten Bücherregalen zu sehen ist. Galeria nimmt in der Illustration nur noch das halbe Erdgeschoss ein.

Retter städtischer Kultur?

Es ist nichts Neues, dass sich In­ves­to­r:in­nen als Retter ebenjener städtischen Kultur aufspielen, die sie mit ihren eigenen Projekten zerstören. Schließlich muss man der Politik und den Menschen irgendwie weismachen, der immergleiche Mix aus überteuerten möblierten Apartments, Coworking-Spaces und Einzelhandel biete irgendeinen Mehrwert für die Stadtgesellschaft. Sei es in Form einer schicken Fassade, einer begehbaren Dachterrasse oder einer öffentlichen Kita, die im Neubau noch ein Plätzchen finden darf.

Dass die Commerz Real nun von sich aus mit einer öffentlichen Institution wie der Landesbibliothek wirbt, hat aber eine neue Qualität. Zur Erinnerung: Seit der Zusammenführung von Berlins Ost- und Westbibliotheken 1995 ist die Stadt auf der Suche nach einem gemeinsamen Standort. Da Umbau statt Neubau im Trend liegt, waren in den letzten Jahren zahlreiche ikonische Gebäude im Gespräch, wie der Tempelhofer Flughafen oder das ICC an der Messe.

Dreiste Aneignung der Debatte

Besonders heiß diskutiert wurde der jüngste Vorschlag, die ZLB in das Gebäude des ehemaligen Luxuskaufhauses Galeries Lafayette in der Friedrichstraße ziehen zu lassen. Auch hier erhofft man die kulturelle Wiederbelebung einer dahinsiechenden Einkaufsstraße – nur scheitert es bislang an der Finanzierung. Diese noch laufende Debatte hat sich die Commerz Real dreist angeeignet.

Doch der Teufel steckt im Detail: Das Kaufhaus steht nicht leer, sondern ist die zweitumsatzstärkste Galeria-Filiale Deutschlands. Der Senat prüft den Vorschlag zwar, es gilt aber als höchst unwahrscheinlich, dass der Alexanderplatz das Rennen um den neuen Standort macht. Solange die Entscheidung nicht getroffen ist, droht die Standortfrage der Zentral- und Landesbibliothek zum Running Gag der Immobilienwirtschaft degradiert zu werden.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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2 Kommentare

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  • Der zweite Absatz beschreibt den Alex exakt. Also auch mit Kaufhaus schon eine öde Betonwüste, die nur wegen des ÖPNV und der Touristen nicht lebensleer ist.



    Eigentlich wünsche ich mir, dass die zlb da bleiben, wo sie sind. Zumindest die AGB, denn sie liegt verkehrsmäßig auch günstig und nicht in so einer traurigen Gegend. Es ist schon schlimm genug, dass man für zahlreiche Stadtteilbibliotheken in Einkaufscenter gehen muss. Ich glaube nicht, dass die Friedrichstr. allein durch die Anwesenheit einer Bibliothek belebt würde. Man wäre einfach genötigt, sich in diese tote Gegend zu begeben.

  • Kaufhof wie Karstadt wurden von einer Kette von internationalen Finanzhaien filetiert und ausgenommen, immer in der Hoffnung, dass die Immobilien letztlich es reißen und unterbewertet seien.



    Nur sind die Immobilien deswegen in einer so attraktiven Lage, weil es eben dort auch Kaufhäuser gibt, wo auch der Tourist oder Berliner mwd sofort eine größere und handfest zu prüfende Auswahl hat.

    Kein Grund, jetzt völlig auf Kaufhaus-Nostalgie zu machen, aber der Alexanderplatz ist wirklich mit komischen Modeflächen und Ähnlichem selbst in Berlin keine Vorzeigeecke, nur beim ÖPNV exzellent angebunden. Da sollte die Stadtplanung achtgeben.

    Es kann auch die Bibliothek dort herauskommen. Köln nutzt ein kleineres Kaufhaus als Ausweichquartier seiner Zentralbibliothek, hat dabei den Umzug immer noch nicht abgeschlossen. Anscheinend sind die Voraussetzungen doch unterschiedlich.