GDL-Chef Claus Weselsky: Der Prellbock
Claus Weselsky will die Macht seiner Gewerkschaft GDL auf weitere Beschäftigtengruppen wie Schaffner ausdehnen – koste es, was es wolle.
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Die Reaktion der Deutschen Bahn AG kam prompt, und sie war harsch in der Wortwahl: „Die GDL läuft Amok“, hieß es aus dem bundeseigenen Konzern am Freitag kurz nach der Streikankündigung der Lokführergewerkschaft. Und: Es gehe nur „um Allmachtsfantasien eines Funktionärs“. Gemeint ist GDL-Chef Claus Weselsky, der jedes Maß verloren habe.
Dass in elf Bundesländern an diesem Wochenende die Herbstferien beginnen, enden oder andauern, ficht Weselsky nicht an – er spielt den Prellbock für die Wut der Fahrgäste. Der Grund ist einfach: Er steht mit dem Rücken zur Wand. Sollte die schwarz-rote Bundesregierung das umstrittene Gesetz zur Tarifeinheit beschließen, könnte seine Spartengewerkschaft, deren Chef er 2008 wurde, in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Deshalb will er jetzt Pflöcke einschlagen und die Macht seiner Gewerkschaft auf weitere Beschäftigtengruppen ausdehnen – koste es, was es wolle. Geschickt macht er sich die Unzufriedenheit etwa unter den Schaffnern zunutze, die über kurze Ruhezeiten zwischen den Schichten klagen. Ihre Interessen kann nach seiner Ansicht nur die GDL vertreten, da die andere Gewerkschaft – gemeint ist die im DGB vertretene Eisenbahnergewerkschaft EVG – der zunehmenden Ökonomisierung zulasten der Beschäftigten nichts entgegensetze.
Auch mit harten Vorwürfen spart Weselsky nicht. Als die Bahn vor dem Streik Mitte der Woche einen Notfallfahrplan initiierte, um einen Rumpfverkehr aufrechzuerhalten, witterte Weselsky Sabotage. Die DB habe damit absichtlich die Reisepläne der Passagiere durchkreuzt, um „den Frust der Fahrgäste zu erhöhen“. Davon wird es auch am Wochenende genug geben. Ebenso gegenseitige Schuldzuweisungen.
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