G20 einigen sich auf Mindeststeuer: 132 Staaten gegen Steuerwettbewerb
Die G20 einigen sich auf eine globale Mindeststeuer für Unternehmen, sie soll bei 15 Prozent liegen. Am Rande des Treffens gibt es Proteste.
Die G20-Staaten machten im Vergleich zu ihren letzten Beratungen im April eine Verbesserung des wirtschaftlichen Ausblicks aus, weil in der Coronakrise mittlerweile mehr Impfstoffe zur Verfügung stehen. Wirtschaftshilfen für Unternehmen und Verbraucher sollen trotzdem nicht zu früh zurückgenommen werden. Im Kampf gegen den Klimawandel wurde im Abschlussdokument erstmals ein CO2-Preis als mögliche Option erwähnt.
Am Rande des Treffens kam es zu Protesten mit Globalisierungsgegnern und Kritikern der Klimapolitik der G20. Zu der Demonstration hatte die Bewegung gegen die Kreuzfahrtschiffe in der italienischen Lagunenstadt aufgerufen. Die Nachrichtenagentur Ansa gab die Teilnehmerzahl am Nachmittag mit 700 an.
Kritik kam auch von der Unionsfraktion im Bundestag: „Statt eines großen Schrittes hin zu mehr Steuergerechtigkeit erleben wir genau das Gegenteil“, teilte die CDU-Abgeordnete Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, am Samstag mit. Keines der Ziele des OECD-Projekts zur Reform der Weltsteuerordnung, das die Fraktion seit Beginn unterstützt habe, würde mit der nun beschlossenen Reform erreicht.
132 Länder sind dabei
„Ursprünglich sollte mit der Idee der ruinöse Steuerwettbewerb begrenzt werden. Stattdessen können die 132 zustimmenden Staaten trotz Einigung nun selbst wählen, ob sie die Mindestbesteuerung einführen“, kritisierte Tillmann weiter. „Es ist völlig unklar, wer in den nächsten Jahren hier Wort hält. Es ist selbst unklar, ob die EU mitmacht, da drei Mitgliedstaaten unter den sieben Kritikern sind, wir aber für eine EU-weite Einführung deren Zustimmung bedürfen.“
Ausnahmen für die Finanzbranche und die Rohstoffindustrie festigten zudem „die Ausbeutung der Entwicklungsländer und lassen diese im internationalen Steuerwettbewerb allein“, monierte sie.
132 Länder haben sich mittlerweile unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD auf eine Steuerreform verständigt, die die internationalen Regeln an das Digitalzeitalter anpassen soll. Für große Unternehmen ist eine Mindeststeuer von 15 Prozent vorgesehen, außerdem sollen Schwellenländer mehr Steuereinnahmen abbekommen.
Sieben Länder – darunter aus Europa Irland, Ungarn und Estland – verweigerten zuletzt aber ihre Unterschrift. Die G20-Staaten bestätigten die Einigung der OECD. Diese soll nun bis Oktober die letzten Details klären und einen Plan zur Umsetzung vorlegen. Die neuen Regeln, von denen sich Scholz milliardenschwere Zusatzeinnahmen für die wegen der Pandemie leeren Staatskassen erhofft, sollen 2022 in Gesetzesform gegossen werden und dann ab 2023 greifen.
Druck auf EU-Kommission wegen Digitalabgabe
Weitere Länder wurden aufgefordert, sich dem Projekt anzuschließen. „Wir werden das versuchen, aber ich sollte betonen, dass es nicht essenziell ist, dass alle Länder an Bord sind“, sagte US-Finanzministerin Janet Yellen. Scholz sprach von einer historischen Verständigung, um den Wettlauf zu immer niedrigeren Unternehmenssteuern zu beenden. Sollten deutsche Konzerne im Ausland beispielsweise nur zwei Prozent Steuern auf ihre dortigen Profite zahlen, werde künftig die Differenz zur neuen Mindeststeuer in Deutschland erhoben.
Am Rande des G20-Treffens kam die EU-Kommission unter Druck, die in Kürze Pläne für eine europäische Digitalabgabe vorstellen will. Laut EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni wird sich diese nicht gegen amerikanische Konzerne richten und nicht vergleichbar sein mit einer Digitalsteuer.
Experten zufolge haben die USA die OECD-Verhandlungen über die Mindeststeuer zuletzt stark vorangetrieben, um einen Flickenteppich aus zahlreichen nationalen Digitalsteuern oder ähnlichen Abgaben zu verhindern. Ein hochrangiger Regierungsvertreter aus der EU sagte, die wichtigeren OECD-Verhandlungen könnten durch die EU-Pläne unterlaufen werden. „Die Kommission muss dies auflösen“, ergänzte ein anderer europäischer Regierungsvertreter.
Angesprochen auf die Digitalabgabe warb Scholz ausdrücklich für eine globale Lösung. Die OECD-Steuerreform beinhalte für die 100 größten und profitabelsten Konzerne der Welt bereits neue Regeln, das werde auch viele Internetfirmen betreffen. Sie müssen künftig mehr Steuern in Ländern zahlen, in denen sie besonders viel Gewinn machen. In den vergangenen Jahrzehnten haben zahlreiche global agierende Konzerne einen immer größeren Teil ihrer Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagert – und zahlen so oft deutlich weniger Steuern als etwa Mittelständler.
US-Angaben zufolge dürfte es eine europäische Digitalabgabe schwerer machen, die globale Steuerreform durch den Kongress zu bekommen, in dem die Republikaner gegen jede Form von Steuererhöhung kämpfen. Yellen sagte, es gebe die Hoffnung, solche Abgaben aus der Welt zu schaffen. Sie trifft am Montag EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Dabei dürfte Yellen Druck machen, die Pläne zurückzuziehen, auch wenn diese überwiegend europäische Firmen träfen. Insidern zufolge könnte die Abgabe schon für Firmen mit Online-Umsätzen von über 50 Millionen Euro gelten – also bei weitem nicht nur für wenige Internet-Riesen. Auf die Frage nach einer möglichen Verschiebung der EU-Pläne sagte Gentiloni, die globale Einigung habe Priorität.
Scholz für Mindestpreis auf CO2-Emissionen
SPD-Kanzlerkandidat Scholz sagte, beim Klimaschutz sei auch über eine engere Kooperation der wichtigsten Länder diskutiert worden, etwa in einem sogenannten Klima-Club. „Das wird noch etwas dauern.“ Die Debatte sei aber wichtig. Deutschland und Frankreich hatten beim G20-Treffen einen Mindestpreis für CO2-Emissionen ins Gespräch gebracht. Dies gilt jedoch momentan als nicht durchsetzbar. Die USA betonten, es seien auch andere Wege hin zu Klimaneutralität denkbar. Im G20-Abschlussdokument wurden auch Investitionen in eine nachhaltigere Infrastruktur und neue, klimafreundlichere Technologien genannt.
Der italienische Finanzminister Daniele Franco als Gastgeber des G20-Treffens warnte vor neuen Coronamutationen. Das sei ein Risiko für die Erholung der Weltwirtschaft. Vor allem ärmere Länder müssten leichter an Impfstoffe kommen, was momentan noch nicht der Fall sei. Im G20-Abschlusskommuniqué findet sich ein Bekenntnis zu einer fairen Verteilung der Impfstoffe. Konkrete neue Maßnahmen wurden allerdings nicht verkündet.
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