G20-Finanzminister-Treffen: Warnsystem gegen neue Krisen

Die Finanzminister der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer einigen sich auf eine Checkliste. Die soll helfen, gefährliche Entwicklungen schneller zu erkennen.

Ganz ruhig: Wolfgang Schäuble, die französische Finanzministerin Christine Lagarde und ihr amerikanischer Kollege Timothy Geithner. Bild: reuters

PARIS taz | Kann man Erdbeben oder Vulkanausbrüche voraussehen? Nur bedingt, werden Seismologen antworten und auf unterirdische Brüche und tektonische Verschiebungen verweisen. Nicht viel anders scheint es mit den Krisen der Weltwirtschaft zu sein. Das Frühwarnsystem, auf das sich die G-20-Finanzminister am Samstag in Paris einigten, soll rechtzeitig Hinweise auf Verschiebungen und Fehlentwicklungen der Volkswirtschaften geben, um Krisen wie die jüngste künftig zu vermeiden.

Die Idee ist bestechend, in der Realität unterschiedlicher Interessen der zwanzig weltgrößten Industrie- und Schwellenländer aber nur schwer durchzusetzen. Das zeigte schon der erste Schritt, bei dem es am Wochenende nur darum ging, sich auf die Indikatoren festzulegen, die riskante Ungleichheiten und Exzesse anzeigen sollen.

Bis zuletzt schien eine Einigung vor allem am Widerstand der Volksrepublik China zu scheitern, die entschlossen war, ihre Wechselkurspolitik und ihren Handelsüberschuss gegen jeden Einwand zu verteidigen. Ähnliche Vorbehalte bezüglich der Handelsbilanz machte Brasilien. Auch Deutschland bremste aus Angst, dass sich der Versuch, Handelsungleichgewichte abzubauen, am Ende gegen seine Exportüberschüsse richten könnte.

Um Druck aus den Verhandlungen zu nehmen, hatte die französische Finanzministerin Christine Lagarde im Vorfeld des Treffens sogar schon einen Misserfolg antizipiert und als "kein Drama" bezeichnet.

Fast wider Erwarten konnte dann am Samstagnachmittag eine erschöpfte, aber strahlende Gastgeberin bei der abschließenden Pressekonferenz echte Resultate vorlegen. Unter ihrer Regie gelang es den Finanzministern, sich auf eine Art Checkliste mit fünf Indikatoren zu einigen. Gemäß Kompromiss sollen diese allerdings weder verbindlich noch gegen bestimmte Länder gerichtet sein ("no targets" im Kommuniqué).

Es handelt sich um Staatsverschuldung, Haushaltsdefizite, private Schulden, Leistungsbilanz sowie ungleiche Investitionsströme. Auf ultimativen Druck des chinesischen Ministers Xie Xuren hin werden aber in der Leistungsbilanz die Zinseinnahmen aus den Währungsreserven nicht berücksichtigt.

Schließlich wurde auch vereinbart, dass bei der Evaluation "nationale und regionale Umstände", wie die der großen Energie- und Rohstoffproduzenten, mitberücksichtigt werden.

Diese Einigung in Paris wurde allgemein als "Etappensieg" gewertet. Weitere Fortschritte sollen das Folgetreffen im April sowie die Vorbereitungen durch eine von Deutschland und Mexiko pilotierte Arbeitsgruppe über die Neuordnung des Währungssystems ermöglichen. Ob es zu einer Art Stabilitätspakt der G-20-Staaten kommt, die 85 Prozent der Weltwirtschaftsleistung repräsentieren, ist aber fraglich.

Einig waren sich die G-20-Minister, dass die rasch steigenden Nahrungsmittelpreise eine Gefahr seien und zu Hungerkatastrophen und Revolten führen oder auch die Inflation anheizen könnten. Die Märkte der Rohstoffe und Derivate müssten daher überwacht werden, "um die Transparenz zu verbessern und Missbräuche (durch Spekulation) zu bekämpfen".

Weniger Zustimmung fand der französische Vorschlag, eine Abgabe auf Finanztransaktionen zu erheben, um mit den Einnahmen globale Entwicklungsziele zu finanzieren. Präsident Nicolas Sarkozy hofft weiterhin, sich nun zuerst mit den europäischen Partnern darauf zu verständigen. Unentwegt und trotz strömenden Regens demonstrierten vor dem Pariser Finanzministerium auch einige Dutzend "Robin Hoods" für eine solche "Steuer gegen Armut".

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