G20-Demonstranten verklagen Hamburg: „Gegen den Abbau des Rechtsstaats“
G20-Gegner*innen haben ihre Klage gegen die Stadt Hamburg eingereicht. Vier Einzelfälle sollen exemplarisch zeigen, dass Polizeieinsätze verfassungswidrig gewesen sind.
Durch diese Klage wollen die Anwält*innen an die Bedeutung des Grund- und Menschenrechts auf Versammlungsfreiheit in der Öffentlichkeit erinnern und wünschen sich eine Diskussion über Gewaltstrukturen. Für den Hamburger Anwalt Dieter Magsam stellt sich die Frage, ob hinter den Einzelfällen „ein Gewaltkonzept auch von Seiten der planenden Polizei steckt“.
Im Raum stehe also nicht nur eine juristische Frage, sondern es betreffe grundsätzlich die Demokratie und die Zivilgesellschaft. „Wenn man unkommentiert und unwidersprochen lässt, was hier passiert ist, dann trägt man zum Abbau des Rechtsstaates bei“, sagt Magsam. „Wir wollen eine demokratische Kontrolle der Polizei.“
Ein weiteres Ziel dieser Klage ist es, an die Öffentlichkeit zu gehen. Durch die einseitige Ermittlung der Polizei gegen Demonstrierende und die mediale Darstellung der Fahndung entstehe ein falscher Eindruck der Proteste, so Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. Das Narrativ der gewaltsamen Ausschreitungen gegen den G20-Gipfel solle aber den systematischen Angriff auf das Versammlungsrecht nicht verschleiern.
Die vier folgenden Fälle halten die Demonstrant*innen und Anwält*innen für exemplarisch:
Camp Entenwerder
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hatte explizit die Übernachtung beim G20-Protestcamp Entenwerder erlaubt. Am 5. Juli teilte das Gericht mit, dass zu den bisher genehmigten Veranstaltungszelten bis zu 300 Schlafzelte für jeweils zwei bis drei Menschen aufgestellt werden dürfen. Trotzdem schritt die Polizei gegen das „Antikapitalistische Protestcamp“ ein und verhinderte es so. Der Anwalt Martin Klingner spricht von einem „Verstoß gegen die Gewaltenteilung“ und einem „Putsch der Exe-kutive gegen die Judikative“. Ein Ziel der Klage ist, dass die polizeilichen Einsätze rechtswidrig erklärt werden.
Camp Altona
Das Camp in Altona habe ebenso durch Schikanen der Polizei nicht stattfinden können wie geplant. Laut der Anwältin Ulrike Donat habe hier die Sicherheitsbehörde die Herrschaft über verfassungsrechtlich garantierte Grundfreiheiten übernommen. Schon im Vorfeld habe die Behörde das Camp verhindern wollen. Einer der Anmelder des Camps schildert am Donnerstag bei der Pressekonferenz im Gängeviertel seine Erlebnisse vor Ort im Juli. Als Mitglied eines Vereins, der sich bundesweit an der Organisation der Proteste gegen den Gipfel beteiligt, habe er viel Erfahrung. So etwas wie in Hamburg habe er noch nie erlebt: „Wir fühlten uns von der Behörde verarscht.“ Die Kläger*innen sind der Ansicht, Camps müssten geschaffen werden, um den Portest zu ermöglichen.
Polizeieinsatz 7.7.2017
Am Freitagvormittag des Gipfels nahmen Demonstrierende an einer Blockade teil, um die Protokollstrecke von US-Präsident Donald Trump zu blockieren. Der Zug wurde von der Polizei getrennt und die Demonstrierenden angegriffen, ohne Vorwarnung. Ein Video zeigt, wie Polizeibeamte mit Schlagstöcken hinter Demonstrierenden in Sommerkleidung herrennen. Ein weiteres Video zeigt die blutende Platzwunde am Kopf einer Attac-Aktivistin aus Köln, die auch als Klägerin auftritt.Ihr Anwalt Dieter Magsam spricht im diesem Fall von „Anwendung nackter Gewalt gegen friedliche Menschen“ seitens der Polizei und will, dass die Stadt Hamburg die Verfassungswidrigkeit des Einsatzes anerkennt.
Versammlungsverbote 7.7.2017
Beim vierten Fall geht es um drei Veranstaltungen, die die Nichtregierungsorganisation Attac in der großen Demonstrationsverbotszone angemeldet hat. Jeweils für 80, 50 und 50 Teilnehmer*innen. Sie fielen aber alle drei unter das allgemein ausgesprochene Versammlungsverbot und durften nicht innerhalb der sogenannten „Blauen Zone“ stattfinden. Für die Anwältin Waltraut Verleih aus Frankfurt gibt es hier mehrere Verstöße gegen Grundrechte wie Versammlungs-, Meinungs-, Kunst- und Handlungsfreiheit. Ziel der Klage ist auch, die polizeiliche Gefahrenprognose zu prüfen.
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