Fußball: "Die Union-Fans sind einmalig"
Ein Fan von Union Berlin baut in Südafrika mit Spendenhilfe aus Deutschland ein Stadion - das nach seinem Vorbild in Köpenick benannt wird.
taz: Herr Urbanski, sind Sie seit jeher Union-Fan?
Dario Urbanski: Ja! Es gab nie einen anderen Verein für mich. Seit 1977/78 bin ich Anhänger des Vereins.
Können Sie die Spiele Ihres Clubs in Südafrika verfolgen?
Ja, seit dem Aufstieg in die zweite Liga habe ich kein einziges Spiel verpasst. Wir sehen die Spiele über Livestream.
Seit wann haben Sie Ihren eigenen Fußballplatz in Ihrem Dorf Lategansvlei?
Angefangen hat alles, als die Farmkinder 2010 unsere Gäste gefragt haben, ob sie Fußball spielen können und ihnen das beibringen wollen. Da brach hier die Begeisterung für Fußball aus.
Also bei den Kindern, die bei Ihnen im Dorf leben?
Ja. Etwa 20 bis 30 Kinder fingen da an, Fußball zu spielen. Sonst sind hier ja eher Rugby und Cricket die Sportarten. Auf einer Schotterstraße hier begann es. Irgendwann haben sich die Anlieger beschwert und wir mussten etwas anderes machen.
Und zwar?
Wir haben einen richtigen Ascheplatz gebaut, also aus dem Nichts einen Platz errichtet.
Wie war das möglich?
Bernd Heller, ein Stammgast unserer Farm aus Jena, hat das Projekt finanziell unterstützt. Der hat bei seinem Verein, Carl Zeiss Jena, gesammelt. Dabei sind 18.000 Rand, also etwa 1.500 Euro, zusammengekommen.
Und den Platz haben Sie Alte Försterei 2 genannt.
Klar! Es ist schließlich auch ein selbst angelegter Platz, so wie die Union-Fans ja auch beim Stadionbau mitgeholfen haben. Nun soll aus dem Platz ein Rasenplatz werden. Die Union-Fans sind einmalig, da läuft gerade eine Sammelaktion. Es gab einen Bericht im Stadionheft und der hat was ins Rollen gebracht. Mit der Hilfsbereitschaft hätten wir hier nie gerechnet. Über 8.000 Euro sind jetzt schon zusammengekommen. Einige Leute wollen Ihren Jahresurlaub opfern, um beim Bau zu helfen. Auch die Band Prag mit Nora Tschirner will uns unterstützen.
Wie oft wird derzeit auf dem Platz gespielt?
Zweimal die Woche etwa spielen die Schulkinder gegen unsere Farmgäste oder gegen andere Schulen.
Ist es der einzige Fußballplatz in der Gegend?
Ganz bestimmt im Umkreis von 100 Kilometern. Und Lategansvlei, unser Dorf, hat auch nur circa 250 Einwohner, darunter 54 Kinder.
Und Sie organisieren die Spiele?
Ja, ich kümmere mich etwa darum, dass die Kinder Trikots anhaben und Fußballschuhe bekommen. Oder ich bringe die Kinder nach dem Spiel wieder nach Hause.
Und wer bringt den Kids das Kicken bei?
Ein Vater eines Kindes macht einmal in der Woche das Training. Da sind schon Talente dabei, die können das inzwischen richtig gut. Und jetzt geht es bald weiter, einen Verein zu gründen.
Und Sie hätten sicher schon einen Namensvorschlag für einen Verein.
1. FC Union Lategansvlei. Hört sich doch gut an, oder? Nein, das werden die Jungs schon selber entscheiden. Aber das Wort Union sollte doch dabei sein.
Gibt es für den Fußballplatz noch über den Rasenplatz hinausgehende Pläne?
Da wir jetzt eine Mädchenmannschaft haben, die bei unserem Osterturnier sehr erfolgreich war, ist auch Frauenfußball ein Thema. Die brauchen eine Umkleidekabine. Auch Toiletten wären nicht schlecht. 100 Besucher kriegen wir an einem Wochenende schon zusammen, und die können ja nicht alle in die Büsche gehen. Mit der Bewässerungsanlage für den Platz ist jetzt auch der erste Schritt zum Rasenplatz getan. Die Gräben haben wir am Wochenende mit den Vätern der Kinder hier gebuddelt.
Ist das Kicken im Dorf eine große Attraktion?
Ja, das ist ein Highlight, wenn wir hier spielen, da kommen die Leute, und die Kids haben viel Spaß dabei und vergessen mal den Alltag. Denn es gibt hier keine Freizeitangebote, kein Kino, kaum einer hat Internet oder Fernsehen. Das sind die Ärmsten der Armen hier. Von daher ist es auch ein soziales Projekt, was viel Arbeit kostet, aber auch viel Kraft gibt.
Werden Sie von staatlichen Institutionen oder Sportverbänden unterstützt?
Nein, wir haben bei der Fifa gebettelt, bei der Kommune, bei den Parteien, bei Firmen, nichts. Wenn die Kinder schwarz wären und Rugby spielen würden, dann hätten sie bessere Chancen. Unsere Kinder sind aber so genannte farbige Kinder, das heißt Südafrikaner unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Die Regierung vom African National Congress vertritt die Rechte der schwarzen Kinder eher als jene der farbigen Kinder.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?
Ich hoffe natürlich, dass wir von Union-Seite weiter ordentlich Spenden bekommen und dass wir hier irgendwann ein richtiges Stadion haben – vielleicht ja mit einer kleinen Tribüne für etwa 200 Leute.
Dario Urbanski, 50, lebt mit seiner Frau Carmen seit Dezember 1995 auf einer Farm in Südafrika, wo sie mit Tourismus ihr Geld verdienen. Das Dorf Lategansvlei liegt in der Nähe der Stadt Oudtshoorn, etwa 400 Kilometer östlich von Kapstadt. Spendenkonto für das Stadionprojekt: Eiserner V.I.R.U.S. e. V., Kto.-Nr. 2000978011, Berliner Volksbank BLZ 10090000, Verwendungszweck AF2.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs