piwik no script img

Fußball und EhrgeizWo die Geranien blühen

Die Vereine im Mittelfeld der Bundesligatabelle versprühen den Charme einer kleinstädtischen Eigenheimsiedlung.

Am besten immer auf der Mittelspur: Mannschaftsbus des 1. FC Heidenheim Foto: imago/Werner Otto

G anz vorn die, die immer vorn sind. Dahinter die, deren Hoffnungen stets bitter enttäuscht werden. Und ganz hinten, nun, der FC St. Pauli und der VfL Bochum sind Tabellenkummer gewohnt. Und Holstein Kiel hat zwar bislang keine Bundesliga­erfahrung, aber die braucht man auch nicht, um sich auszurechnen, dass der Weg nicht für alle nach oben führen kann.

Bleibt das Tabellenmittelfeld, das an eine dieser kleinstädtischen Eigenheimsiedlungen mit den sorgsam in dunkelgrünen Kästen angeordneten roten Geranien vor den Fenstern erinnert, in denen inklusive der Blumen eigentlich alle permanent ein bisschen unglücklich sind, aber sich gleichzeitig damit trösten, dass es anderswo ganz sicher schlimmer wäre. Zum Beispiel zwei Straßen weiter. Was ein Glück, dass man dort nicht leben muss, ständig den Gestank des Durchgangsverkehrs in der Nase haben zu müssen, nein danke. Oder im Fall der Geranien bei den blöden Leuten von gegenüber wohnen zu müssen, die es zuverlässig jedes Jahr schafften, sämtliche Pflanzen in ihren Blumenkästen schon Mitte Juni vertrocknen zu lassen, aber das ist ein anderes Thema.

Nein, wenn man es recht bedenkt, hat man es doch recht gut getroffen und sich vor allem dort, wo man halt nun einmal ist, schön eingerichtet.

Und so könnte auch das Leben im Tabellenmittelfeld ein gemütliches sein, mit hier mal einem wohligen Überraschungs-Unentschieden und dort mal einem wonnigen Sieg, wenn sich nicht ständig irgendwer zu motivierenden Ansprachen verpflichtet fühlen würde. Motivation ist schließlich sehr wichtig, Fußballer kämen nämlich nie im Leben von selber auf die Idee, dass zu gewinnen vorteilhafter ist, als zu verlieren.

Bedauerlicherweise ist nicht bekannt, was die Trainer von Mönchengladbach und Heidenheim ihren Schützlingen als Ansporn mit auf den Weg aufs Spielfeld gaben. Vielleicht wurden die sogenannten Ostalbstädter mit einem euphorischen „Stellt euch mal vor, wenn heute alles gut läuft, könnten wir Sonntagabend Siebter sein, Sieb-ter!“ angefeuert, was jetzt sicher nicht der Überanreiz ist, aber man muss halt mit dem arbeiten, was man hat. Am Ende gewann allerdings die Borussia 3:2. Und beide Teams können in der Gemütlichkeit verharren, nur halt ohne rote Geranien, aber dafür mit neun Punkten. Ist doch auch schön.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!