Fußball-Randale: Bundesliga-Funktionäre nehmen Gewalt in Kauf
Vor dem Nordderby zwischen dem HSV und Werder Bremen am Sonntag ist die Stimmung angespannt. Die Clubs wollen Gewalt zwischen den Fans verhindern. Nur die Deutsche Fußball-Liga macht es ihnen schwer - denn Dramatik bringt Quote.
Das Spiel zwischen dem Hamburger SV und dem SV Werder Bremen am Sonntag ist ein heikles. Es geht um nichts weniger als um den Anschluss an die Spitzengruppe der Fußball-Bundesliga, entsprechend aufgeheizt ist die Stimmung bei den Fans. "Wer verliert, ist erst mal vorne weg", sagt Werders Nationalspieler Per Mertesacker.
Schuld an dieser Situation ist die Deutsche Fußball-Liga (DFL), die die Partie zwischen den beiden Nord-Rivalen auf den letzten Spieltag der Hinrunde gelegt hat - und das, obwohl HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann und Werder-Geschäftsführer Klaus Allofs dringend darum gebeten hatten, dies nicht zu tun. Die Vereinschefs hätten sich einen Termin zwischen dem neunten und 13. Spieltag gewünscht - auch da wäre es, wie immer zwischen dem HSV und Werder, um viel, aber noch nicht um so viel gegangen. Die Antwort der DFL war, das Derby in der Hinrunde auf den 17. und letzten Spieltag zu legen. Für die Rückrunde bedeutet dies, dass sich beide Mannschaften am 34. Spieltag in Bremen treffen - dem letzten Tag der Bundesliga-Saison.
Die Abneigung zwischen den Fanlagern beider Vereine ist groß. Die HSV-Fans neiden Werder seit Jahren den sportlichen Erfolg - in der vergangenen Saison stand der HSV nach vier Duellen in drei Wettbewerben mit leeren Händen da. Im Uefa-Cup-Halbfinale war sogar eine Papierkugel schuld, die den Ball umlenkte. Viele HSV-Fans sprechen von "Trauma". Die Werderaner neiden dem HSV das Stadion, das wirtschaftliche Potenzial, das größere Mitspracherecht der Fans. Und im Hintergrund spielt immer noch der Tod des 16-jährigen Werder-Anhängers Adrian Maleika eine Rolle, der im Oktober 1982 beim Angriff von HSV-Fans auf einen Werder-Fanbus umkam.
Die Generalprobe gelang Werder erheblich besser als dem HSV: Die Bremer gewannen ihr letztes Europa League-Gruppenspiel bei Athletic Bilbao locker mit 3 : 0. Der HSV blamierte sich mit einem 0 : 1 bei Hapoel Tel Aviv und verspielte den Gruppensieg.
Die Top-Torjäger sind auf beiden Seiten wieder im Einsatz: Mladen Petric hat nach seiner Knöchelverletzung schon zweimal von Beginn an gespielt. Claudio Pizarro holte sich nach seiner Fußprellung in Bilbao Wettkampfpraxis - und Selbstvertrauen, per Kopfballtor.
Zuständig für die Spielplangestaltung bei der DFL ist Holger Hieronymus. Er ist in Hamburg geboren, hat für den Hamburger SV gespielt, war mal HSV-Sportdirektor. Er weiß, was zwischen dem HSV und Werder los ist. "Wir haben auf diese Ansetzung mit Unverständnis, Irritation und Verärgerung reagiert", sagt Andreas Birnmeyer, Geschäftsführer der Abteilung Fördernde Mitglieder / Supporters Club des HSV und damit für etwa 50.000 HSV-Fans zuständig.
Es sieht so aus, als suche die DFL für brisante Spiele Konstellationen, die noch mehr Brisanz erzeugen. So wurden die Auswärtsspiele des HSV in Gelsenkirchen und des SV Werder in Bochum auf den gleichen Tag gelegt. Auch das war angesichts des gleichen Anfahrtswegs der beiden Fanlager gefährlich. "Wir haben damals, unter Einsatz unzähliger HSV- und Werder-Freiwilliger, alles gut über die Bühne gebracht", sagt Birnmeyer. Holger Hieronymus meldete sich nach dem Spieltag beim HSV und war der Meinung, er hätte alles richtig gemacht, weil ja nichts passiert sei.
In der Zweiten Liga dasselbe Bild: Weder Hansa Rostock noch der FC St. Pauli wollten, angesichts der gewaltsamen Vorgeschichte, am Montagabend gegeneinander spielen, weil es für die Polizei in der Nacht noch schwieriger ist, die Fanlager zu trennen. Genau dorthin legte die DFL das Spiel. Die Stimmung war aufgeheizt, es gab viele Verletzte.
Im Vorfeld des Spiels zwischen dem HSV und Werder gab es "unzählige Gespräche auf allen Arbeitsebenen der beiden Clubs", sagt Birnmeyer, "da herrscht eine fast freundschaftliche Atmosphäre. Die Vorstände haben miteinander gesprochen, an die Fans appelliert, die Fanbeauftragten haben sich getroffen, die Fanprojekte, es gab Gespräche mit der Polizei".
Die Grundlage der Gespräche zwischen den Fangruppen war, "dass wir gesagt haben, wir diskutieren nicht mehr über Schuld, über Dinge, die in der Vergangenheit passiert sind, weil wir nun vor einer Situation stehen, die sich fast nicht mehr kontrollieren lässt", sagt Birnmeyer. "Wir, und die Werderaner auch, haben gesagt: So geht es nicht weiter. Wir müssen uns was einfallen lassen."
Am Sonntag wird nun im Volkspark zum ersten mal das "Dortmunder Modell" angewandt: "Den Auswärtsfans sind alle legalen Mittel erlaubt: Fahnen, Konfetti, Luftballons, Transparente, Choreografie, Spruchbänder", so Birnmeyer. Das gab es noch nie. Einschränkung: "Die Texte dürfen nicht rassistisch, sexistisch sein, wir wollen auch nie mehr ein Plakat sehen, das die Stadt Hamburg bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zeigt." Auch bengalische Feuer sind nicht erlaubt. "Sonst war das erste auch das letzte Mal", sagt Birnmeyer. Die Bremer müssten "die Füße still halten" auf dem Weg zum und vom Stadion. Das ist der Deal. "Bei den Werderanern bestand Konsens, dieses Angebot anzunehmen."
Wie die Rückrunden-Partie am letzten Spieltag in Bremen wird, hängt auch davon ab, wie dieser Sonntag läuft.
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