Fußball-Derby in Niedersachsen: Wasserwerfer und Fan-Frust in Hannover
Weil Fans ausgeschlossen wurden, kam es beim 1:1-Unentschieden der Rivalen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig zu Fanprotesten.

Es fühlt sich merkwürdig an, wenn eines der vermeintlich wichtigsten Fußballspiele des Jahres in Niedersachsen ohne laute Anfeuerungsrufe und Fangesänge auskommen. Wegen vergangener Zwischenfälle hatte das Niedersächsische Innenministerium unter der Führung von Daniela Behrens (SPD) hart durchgegriffen. Der Zuschauerbereich für die Eintracht-Fans durfte im Stadion am Maschsee nur zu 60 Prozent ausgelastet werden.
Das nahmen die Anhänger beider Seiten zum Anlass, die Stimmung im Stadion nahezu komplett zu boykottieren. „Grenzüberschreitende Maßnahmen können wir auch“, stand auf einem Transparent, das offenkundig Anhänger von Hannover 96 mitgebracht hatten. Auch ein Plakat, das den Kopf von Innenministerin Behrens in einem Fadenkreuz zeigte, war zu sehen. Die Wasserwerfer, die die Polizei vor der Zuschauertribüne aufgebaut hatte, fand Eintracht-Trainer Daniel Scherning „befremdlich und beklemmend“.
Kaum gelungene Spielzüge
Eigentlich geht es um Sport. Hannover 96 hat in dieser Saison immer noch eine kleine Chance auf eine Rückkehr in die 1. Liga. Eintracht Braunschweig bemüht sich um den Klassenerhalt. Es bleibt den Spielern beider Vereine hoch anzurechnen, dass sie im gestrigen Durcheinander mit Fanprotesten und scharfen Sicherheitskontrollen in der Lage waren, vor 32.100 Zuschauern leidenschaftlich Fußball zu zeigen.
Die Aufforderung von Eintracht-Kapitän Ermin Bicakcic, dass seine Mannschaft auf dem Platz ein Feuerwerk abbrennen müsse, gelang allerdings nur aus Sicht der Fans. Auf dem Rasen gab es mehr hartnäckige Zweikämpfe als gelungene Spielzüge. „Spielunterbrechungen sind niemals gut. Aber das sollte keine Ausrede sein“, sagte Hannovers Cheftrainer André Breitenreiter nach dem Remis ohne Fanunterstützung.
Wenn es um Unruhe und Querelen abseits des Spielfeldes geht, ist auf Hannover 96 Verlass. Parallel zu der Frage, was sich Fans im Stadion erlauben dürfen, geht es auch um die Frage, wer in diesem Verein das Sagen hat. Die sogenannte 50+1-Regel und die Statuten der Deutschen Fußball Liga (DFL), die den Spielbetrieb der 1. und 2. Liga organisiert, begrenzen den Einfluss von Investoren und schützen die Interessen der Vereinsmitglieder. In Hannover bleibt fraglich, ob die 50+1-Regel eingehalten werden kann.
Später Ausgleich für Hannover
Bei kniffligen Entscheidungen zeigt sich immer wieder eine Pattsituation zwischen der Kapital- und Vereinsseite. Letztere verhindert seit Monaten, dass Sportdirektor Marcus Mann auf Wunsch der 96-Geldgeber zum Geschäftsführer befördert werden kann. Ein Kompromiss kommt zumindest in Sicht. Mit Henning Bindzus, ehemals beim Hamburger SV beschäftigt, und Mann könnte es eine doppelte Geschäftsführung mit Zuständigkeiten für den Sport und die Finanzen geben. Noch ist das aber nicht unterschrieben und bestätigt.
„Chaotische Zustände“, „Lizenzverlust droht“: Wegen Schlagzeilen wie diesen, die Hannover 96 wie am Fließband produziert, wird der Verein als chronisch unruhig wahrgenommen. Bis zum 17. März muss Hannover 96 seinen Antrag auf eine Lizenz für die Saison 2025/26 abgeben – unterschrieben von einem Geschäftsführer, der erst noch ernannt werden muss. Es kann kaum gelingen, solche Themen gänzlich von der Mannschaft fernzuhalten.
Für Freunde des Fußballs bleibt festzuhalten, dass Lino Tempelmann Braunschweig mit einem schönen Distanzschuss in der 77. Minute in Führung gebracht hatte. Der späte Ausgleich für Hannover gelang durch ein Tor von Josh Knight in der Nachspielzeit. Wie schon im Hinspiel, das Braunschweig mit 2:0 gewann, war die Eintracht ein einsatzfreudiger Spielverderber. Als Hannovers Abwehrchef Marcel Halstenberg nach dem Remis den Platz verließ, trat er voller Wut gegen eine Wasserflasche. Ihm war anzumerken, dass Fußballtage von und mit Hannover 96 schon einmal unbeschwerter und erfolgreicher waren.
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