Fußball-Bundesliga: Hannover wirft Ballast ab
Mit einer Niederlage gegen die Bayern geht Hannover 96 in die Winterpause. Geschäftsführer Martin Bader will die Mannschaft umstrukturieren.
HANNOVER taz | In der Nachspielzeit hat er noch einmal aufbegehrt: Ron-Robert Zieler, dieser fangsichere und eher introvertierte Torhüter, war zu einem der ganz großen Fußballabenteuer aufgebrochen. Eckball für Hannover 96: Zieler lief mit vor das Tor des Gegners – mitten in die Stars des amtierenden Meisters. Es war einer Mischung aus Mut und Verzweiflung zuzuschreiben, was der an diesem Tag sehr gute Zieler in den letzten Sekunden der Partie gegen den FC Bayern München versucht hatte – gebracht hat es nichts. Das Team von Hannover 96 wurde im Heimspiel gegen den Tabellenführer zu einem Spielball degradiert. Da kann man schon einmal mutig, verzweifelt und sauer zugleich werden.
Die Hannoveraner haben die Bundesliga-Hinrunde mit einem 0:1 (0:1) beendet. Ein solch knappes Scheitern klingt im Duell mit dem Rekordmeister respektabel, ist am Ende aber wieder einmal zu wenig. „Ich denke nicht, dass das so reichen wird“, sagte Zieler ernüchtert. Je weiter sein Team in der Tabelle absackt, desto kritischer fallen seine Aussagen aus.
Der Mann ist immerhin Nationalspieler und hat hohe Ziele. Mit seinem selbsternannten Lieblingsverein sinkt er jedoch immer näher an den Abgrund zur zweiten Liga. Während sich die Profis des FC Bayern gerade an der Frage abarbeiten, warum ihr Trainer Pep Guardiola eigentlich den Verein verlassen will, werden Zieler und seine Teamkollegen von deutlich existenzielleren Problemen belastet.
14 Punkte aus 17 Saisonspielen sind eine erstklassige Bewerbung um den Abstieg. Diese Bilanz gefährdet nicht nur den Arbeitsplatz von Cheftrainer Michael Frontzeck, sondern den gesamten Verein.
Die Niederlage am Samstag war der Abschluss eines Fußballjahres, das für das Team aus Hannover furchtbar zäh und sehr erfolglos verlaufen ist. „Kind muss weg“ – diese Rufe aus der Nordkurve, wo in Hannover der harte Kern der Fans steht, häufen sich wieder. Die Kritik an Präsident Martin Kind war auch nach dieser Partie wieder zu hören, die durch einen von Thomas Müller verwandelten Elfmeter in der 40. Minute entschieden worden ist.
„Das werden keine schönen Weihnachten“, befürchtete Hannovers eigentlich sehr erfahrener Abwehrspieler Christian Schulz nach dem Abpfiff. Ihm war in dieser Partie ein stümperhafter Fehler unterlaufen: Mit den Händen voran hatte er eine Flanke unterbinden wollen und damit den folgenschweren Elfmeter verursacht. Die Szene mit Slapstick-Charakter war für die 49.000 Zuschauern ein Symbol für den Zustand einer Mannschaft, der es an der nötigen Qualität fehlt.
Nun wolle sich die Mannschaft besprechen, verstärken und verändern. Irgendwie hört sich das, was 96-Boss Kind ankündigt, nach einer unlösbaren Aufgabe an. Bisher hält er für die Rückrunde an Frontzeck fest. Doch der muss trotzdem weiter um seinen Job bangen.
Denn nach der Heimniederlage gegen München sind die Entscheider des Vereins wieder ein Stück von Frontzeck abgerückt. Ihnen ist nicht entgangen, dass fast alle in den Abstiegskampf involvierten Mannschaften zuletzt deutliche Sprünge nach vorne geschafft haben. Nur ein Team ist seiner Formschwäche erschreckend treu geblieben – Hannover 96.
Geschäftsführer Martin Bader hofft, mit dem Japaner Hotaru Yamaguchi und dem Norweger Iver Fossum in Kürze zwei neue Mittelfeldspieler verpflichten zu können, die den Konkurrenzkampf erhöhen und mehr Wettbewerbsfähigkeit bescheren.
„Wir sollten über jeden neuen Spieler, der uns weiterhilft, froh sein“, findet Torhüter Zieler. Das ist freundlich formuliert und natürlich die „Das Glas ist halbvoll“-Variante. Denn im Umkehrschluss bedeuten die geplanten Verpflichtungen, dass sich Hannover 96 in diesem Winter von mehreren Profis trennen möchte. Dazu dürfte in jedem Fall Stürmer Mevlüt Erdinc zählen. Der hat bisher kein einziges Tor für Hannover geschossen.
Der Verein wirft Ballast über Bord, damit er nicht vollends untergeht. Dass Präsident Kind laut formuliert, er mache sich große Sorgen um den von ihm geführten Club, wird aller Erfahrung nach rund um Weihnachten für turbulente Tage sorgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!