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Für den Stadtchef hat sich’s ausgebimmelt

NS-ERBE Bürgermeister von Herxheim verteidigt „Hitlerglocke“ recht krude. Nun tritt er zurück

HERXHEIM taz | Der Streit über die „Hitlerglocke“ hat Ronald Becker, den ehrenamtliche Bürgermeister der pfälzischen Gemeinde Herxheim, bundesweit bekannt gemacht. In zahlreichen Interviews hat er seit Mai erläutert, warum er die umstrittene Glocke, die seit 1934 vom Turm der örtlichen St. Jakobskirche erklingt, nicht abhängen will. Jetzt ist er von seinem Ehrenamt zurückgetreten – und sieht sich als „Opfer“ seiner „sehr offenen Vorgehensweise zu diesem Thema“.

„Alles fürs Vaterland Adolf Hitler“ steht in großen Bronzelettern auf der Glocke, daneben prangt ein großes Hakenkreuz. Von einer „wunderbaren historischen Glocke“ hatte Becker geschwärmt, die „im Verborgenen ihren Dienst tut“. Dass die frühere Organistin der Kirche, Sigrid Peters, die Glocke wegen ihrer Aufschrift zum Schweigen bringen wollte, gar von „Gotteslästerung“ sprach, fand er übertrieben. „Warum soll man etwas ändern, was gut funktioniert?“, so Beckers Kommentar.

Jetzt wurde Becker ein Interview mit der ARD zum Verhängnis. Hitler solle man nicht nur mit Gräueltaten in Verbindung bringen, „da waren auch Sachen, die er in die Wege geleitet hat und die wir auch benutzen“, hatte Becker festgestellt. Das ging dem Gemeinderat und dem Landesverband der Freien Wähler, für die Becker kandidiert hatte, dann doch zu weit. Sie forderten seinen Rücktritt. Becker folgte dem, teilte aber mit: Durch „die verkürzte Wiedergabe eines Interviews und aus dem Konsens gerissene Sätze“ sei der Eindruck entstanden, „dass ich diese Zeit verherrliche“. Davon wolle er sich „aufs Äußerste distanzieren“.

Zuletzt hatte der Gemeinderat beschlossen, ein Gutachten in Auftrag zu geben, welche Optionen es für den Umgang mit der umstrittenen Glocke gibt. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster forderte, die Glocke ins Museum zu befördern: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass es offensichtlich Menschen gibt, die eine positive Einstellung zu dieser Glocke haben.“ Die ehemalige Organistin Peters sprach gegenüber der taz gar von einem „braunen Sumpf“. Dazu passt, dass die NPD für Samstag eine Demonstration in Herxheim für den Erhalt der Glocke angekündigt hat. Es gibt wohl auch eine Gegendemons­tra­tion.

Christoph Schmidt-Lunau

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