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Fünf Jahre DeutschlandstipendiumAkademikerkinder profitieren

Genauso ungerecht wie der Hochschulzugang: Nur ein Viertel der Menschen mit Deutschlandstipendium ist Bildungsaufsteiger.

Läuft doch! Findet Bildungsministerin Johanna Wanka als sie ihre Bilanz zum Deutschlandstipendium vorstellt Foto: dpa

Für die Opposition ist ein Rohrkrepierer, für die Regierung ein Erfolgsmodell: so lange wie es das Deutschlandstipendium gibt, so lange wird auch darum gestritten. Fünf Jahre nachdem die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan es einführte, stellte ihre Nachfolgerin Johanna Wanka (beide CDU) nun erstmals eine wissenschaftliche geprüfte Bilanz des Stipendiums vor. Ihr Fazit: das Deutschlandstipendium ist ein Erfolg. Natürlich.

Das Stipendium ist eine public-private-Partnership, die so funktioniert: die Hochschulen werben Geld bei Unternehmen, Mäzenen oder Stiftungen ein, der Staat legt den gleich Betrag obendrauf und heraus kommt ein monatliches 300 Euro-Stipendium für engagierte und leistungsstarke Studierende. Den aktuellen Zahlen (von 2014) zufolge werden 22.500 Studierende auf diesem Weg gefördert. Das entspricht nicht einmal einem Prozent aller Studierenden, aber fast so vielen wie die Begabtenförderwerke versorgen, nämlich knapp 27.000.

Doch während Studierende sich dort sicher sein können, dass ihnen das Förderwerk bis zum pünktlichen Abschluss ihres Studiums monatlich verlässlich Geld überweist, verpflichten sich die Stipendiengeber beim Deutschlandstipendium erst einmal für zwei Semester zur Unterstützung einer oder eines Studierenden. Wie die Ergebnisse der vom Bildungsministerium in Auftrag gegebenen Befragung zeigen, erhielten zwei Drittel der Stipendiaten Geld für exakt diesen Zeitraum.

Die Untersuchung zeigt auch, dass sich unter den Stipendiaten der gleiche Akademikerüberhang zeigt wie unter Studierenden generell. Knapp über die Hälfte der Geförderten kommt aus Elternhäusern, in denen mindestens ein Elternteil studiert hat, an den Hochschulen sind ebenfalls zu 50 Prozent Akademikerkinder eingeschrieben.

Kritiker: Ziel glatt verfehlt

Für Wanka ist das Deutschlandstipendium damit sozial ausgewogen. Kritiker bemängeln hingegen, dass das Ziel Bildungsaufsteiger zu einem Studium zu ermutigen glatt verfehlt wurde. „Das Deutschlandstipendium hat extrem wenige Empfänger, bringt keine soziale Öffnung der Hochschulen, ist sehr teuer und ineffizient“, meint der hochschulpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring. Er fordert die Bundesregierung solle aussteigen und das Geld - immerhin 31 Millionen Euro pro Jahr - ins Bafög oder in Stipendien für Geflüchtete investieren.

Ursprünglich waren 2015 sogar 47 Millionen Euro im Haushalt für das Deutschlandstipendium eingeplant, doch gut 16 Millionen wurden nicht gebraucht, weil sich zu wenige private Sponsoren fanden. Der Berichterstatter der SPD-Fraktion im Bildungsausschuss, Swen Schulz, bezeichnet das als „schallende Ohrfeige“: „Mit einer Ausgabequote von nur 65 Prozent gehört das Deutschlandstipendium zu den fünf am schlechtesten abgerufenen Titeln des Haushaltes für Bildung und Forschung.“ Selbst der Koalitionspartner findet: das Deutschlandstipendium kann weg.

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10 Kommentare

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  • Es geht hier um Leistung und das ist die beste Ausgangsbedingung für die Mittelklasse, deren Eltern bereits studiert haben. Das Stipendium passt sich quasi automatisch in ein Kräftefeld ein, in dem wenige Arbeiterkinder oder Migrantenkindern den Sprung an Hochschule und dann auch noch in ein Stipendium schaffen. Es ist ja auch so gewollt. Da es n u r um Leistungen geht, ist auch alles in Butter, weil das ja in der Regel auch Schulleistungen berücksichtigen muss und die sind meist sozial gebunden. Kritisch kann man allenfalls fragen, warum gerade diese eher gut versorgte Gruppe von Studierenden nochmal eine Chance auf ein Stipendien erhält, wo doch andere Gruppen viel dringender Förderung erhalten müssten ...

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Knapp über die Hälfte der Geförderten kommt aus Elternhäusern, in denen mindestens ein Elternteil studiert hat, an den Hochschulen sind ebenfalls zu 50 Prozent Akademikerkinder eingeschrieben."

     

    Inwiefern profitieren also Akademikerkinder? Weil sie genauso gefördert werden wir Kinder von Nichtakademikern, oder wie? Was soll also die Überschrift?

     

    Die Zuwendung soll zudem laut Text "ein monatliches 300 Euro-Stipendium für engagierte und leistungsstarke Studierende" sein und keine Förderung einer speziellen Gruppe.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      "Inwiefern profitieren also Akademikerkinder? Weil sie genauso gefördert werden wir Kinder von Nichtakademikern, oder wie?"

       

      Sie profitieren dadurch, weil eine unausgewogene soziale Zusammensetzung der deutschen Studierenden (http://diepresse.com/images/uploads/4/e/c/4756716/Akademikerkinder-an-Hochschulen_1434539008828959.jpg) durch dieses Deutschlandstipendium zumindest stabilisiert wird. Wenn also Ministerin Wanka behauptet das Stipendium sei sozial ausgewogen, weil es der (unasgewogenen) sozialen Struktur der deutschen Hochschulen entspricht, dann denkt sie (wie Sie auch) einfach zu kurz.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Man vergisst, dass das Stipendium von jeder Hochschule sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Der gesetzliche Rahmen lässt da viele Freiheiten. Was spricht denn gegen folgenden Ansatz: https://www.youtube.com/watch?v=R1-IzS_LvOc

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Auf der Seite des Deutschlanddstipendiums heißt es:

         

        "Deutschland braucht leistungsfähigen Nachwuchs. Deshalb unterstützen der Bund und private Förderer die Spitzenkräfte von morgen. Zusammen setzen wir uns dafür ein, dass leistungsstarke Studierende ihr Potenzial ausschöpfen. Damit investieren wir in die Zukunft Deutschlands. Bis 2017 sollen so bis zu zwei Prozent der Studierenden an deutschen Hochschulen gefördert werden."

         

        Man kann schlechterdings nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Entweder, das Stipendium wird für Leistung erteilt oder für die Herkunft. Ich würde letzteres begrüßen, aber ich finde es recht eigenartig, wenn hier über irgendwas gerechtet wird, was gar nicht Ziel dieses Stipendiums ist.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @849 (Profil gelöscht):

          Nun, ich hatte die Einhaltung der Regeln bei der Stipendumvergabe nicht bemängelt, sondern den Sinn desselbigen als Ganzes. Das war, glaube ich, auch der Tenor des Artikels.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Genau. Das Stipendium an sich kann man kritisieren, da es relativ ineffektiv zu sein scheint. Aber es lockt anderseits zusätzliche Mittel, wenn auch nicht in dem erwarteten Ausmass, an.

       

      Und, es scheint gerecht zu sein und nicht zu diskriminieren (ausser über Leistung). Also, was soll die Überschrift? Thema verfehlt. Setzen.

      • @fly:

        Naja, Jaroslaw hat das schon ganz gut gesagt: das Stipendium ist genauso ungerecht wie unser Bildungssystem im ganzen. Wenn man noch dazu nimmt, dass Akademikerkinder wohl im Schnitt einen besseren finanziellen Hintergrund haben, wird noch deutlicher, dass das Stipendium keinerlei soziale Funktion hat. Selbst Ivy-League-Scholarships haben da einen höheren Anspruch an ihre egalisierende Funktion.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @Christian:

          Klar, wir haben drei Kinder im Studium. Bafög kriegen die nicht, weil ihre Akademikereltern angeblich zu viel verdienen. Aber über 2000 EUR im Monat für die Kinderchen abzudrücken ist selbst für ihre Akademikereltern kein Pappenstil. Wir würden es also durchaus begrüßen, wenn die Kinderchen in den Genuss dieses Deutschlandsstipendiums kämen. :-)

        • @Christian:

          Es ist nicht "genauso ungerecht", sondern es führt nicht dazu, dass eine vorher bestehendes Ungleichgewicht reduziert wird.

          Eine Ungerechtigkeit durch eine andere Ungerechtigkeit versuchen auszugleichen, kann manchmal durchaus sinnvoll sein. Allerdings ist das dann nicht "gerecht", sondern zweimal "ungerecht" (eben genauso andersherum ungerecht). Dann wird "Egalität" höher gewertet als "Gerechtigkeit". Das kann man durchaus machen, nur sollte man dann aufhören, von "Gerechtigkeit" zu reden.

          Im konkreten Fall könnte man Akademikerkinder gezielt vom Stipendium ausschließen oder ihnen höhere Hürden auferlegen. Die individuelle Förderung von der Abstammung abhängig zu machen, ist allerdings eine Ungerechtigkeit, die es im Kaiserreich und in der DDR (mit umgekehrten Vorzeichen) gab und die wir glücklicherweise überwunden haben.

          Daneben gibt es die indirekten Methoden, die versuchen nicht offen zu diskriminieren, aber statistisch das gleiche Ziel zu erreichen. Dazu wird z.B. das Einkommen der Eltern zu einem Vergabekriterium deklariert - oder es wird den Entscheidungsgremien ein "Ziel" aufgegeben, dessen Einhaltung prämiert wird und die Entscheidungsgremien sollen dann verdeckt diskriminieren (so wird das meist bei impliziten Frauenquoten, "Frauenförderplänen" etc. gemacht).