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Frühkindliche BildungKitas in der Kritik

Gastkommentar von Klaus Hurrelmann und Sarah Fichtner

Die Unzufriedenheit ist in der frühkindlichen Bildung hoch. Es ist ein Signal an die Politik, die Qualität der Vorschuleinrichtungen auszubauen.

Die Unzufriedenheit in der frühkindlichen Bildung ist groß Foto: Jens Büttner / dpa

F ür alle wichtigen Bereiche der Gesellschaft gibt es systematische Überprüfungen. In der Politik wird durch Wahlen immer wieder festgestellt, welche Stärken und Schwächen die Parteien haben. In der Wirtschaft gibt es den Fachrat von Wirtschaftsweisen und verschiedene Indizes für die Konjunktur. Auch im Gesundheitswesen hat sich mit „Weißen Listen“ und anderen Beurteilungsplattformen ein Rückmeldeverfahren etabliert.

Das Bildungssystem ist von mindestens ebenso elementarer Bedeutung – bisher aber gibt es nur sehr wenige kritische Meldesysteme. Diese Lücke haben wir durch einen neuartigen Bildungsindex gefüllt. Die Idee dabei: Niemand ist besser geeignet, das Bildungssystem zu bewerten, als die in diesem Bereich selbst tätigen Menschen. Sie wissen aus eigener Erfahrung genau, wo die Stärken und die Schwächen des Bildungssystems liegen.

In diesem Sinne hat das FiBS-Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie den Plan entwickelt, 250 Ex­per­t:in­nen aus allen Bereichen des Bildungssystems um ihre Einschätzung zu bitten. Ziel ist es, von ihnen spontane und persönliche Einschätzungen zu unterschiedlichen Facetten von Bildung zu erhalten. Weil sie täglich in unterschiedlichen Rollen mit Bildung zu tun haben, besitzen sie eine tiefe Kenntnis des Systems. Ihre Einschätzung ist vom Typus her persönlich und subjektiv, aber durch ihre unmittelbare Beziehung und tägliche Erfahrung ist sie authentisch und differenziert.

Zufriedenheit hält sich in Grenzen

Das Ex­per­t:in­nen­pa­nel wurde aus Personen gebildet, die im deutschen Bildungssystem auf unterschiedlichen Ebenen eine Rolle spielen. Denn es braucht den Blick auf das Ganze. Es braucht den Blick auf das lebenslange Lernen – von der frühkindlichen Bildung über die schulische Bildung, die berufliche Ausbildung, die Hochschule bis hin zur Weiterbildung, auch im hohen Alter.

Zu oft geraten die ineinandergreifenden Zahnrädchen aus den Augen, verliert das Systemische des Systems an Aufmerksamkeit. Entsprechend haben wir die 250 Ex­per­t:in­nen so ausgewählt, dass sie nicht nur die fünf Bereiche des lebenslangen Lernens abdecken, sondern auch unterschiedliche Perspektiven haben: Die Lernenden sind genauso vertreten wie die Lehrkräfte und Ausbildenden, die Elternvertretungen, das Kitapersonal, die Leitungspersonen, politisch Verantwortliche sowie Fachleute aus Bildungsverwaltung und Bildungsforschung.

Sarah Fichtner

arbeitet als Senior Researcher und Projektleiterin am FiBS-Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin.

Wie nicht anders zu erwarten, hält sich die generelle Zufriedenheit mit dem Bildungssystem in Deutschland bei den Ex­per­t:in­nen in Grenzen. Gerade einmal knapp eine von fünf befragten Personen zeigt sich ansatzweise zufrieden. Dagegen äußert sich ein Drittel eher unzufrieden, fast jede zehnte Person ist sogar sehr unzufrieden. Die generelle Zufriedenheit ist unter den Befragten aus der frühkindlichen Bildung – also Kitas und Vorschulen – am geringsten (acht Prozent); die aus der Hochschulbildung fast viermal so hoch (29 Prozent).

Klaus Hurrelmann

ist Sozial- und Bildungsforscher und Senior Expert am FiBS-Forschungsinstitut.

Dabei zeigt sich die Unzufriedenheit der Ex­per­t:in­nen aus der frühkindlichen Bildung vor allem in drei Bereichen: beim Thema Chancengleichheit (78 Prozent), bei der Personalausstattung (74 Prozent) und der Kompetenzvermittlung (54 Prozent). In anderen Worten: Knapp 8 von 10 Befragten aus dem frühkindlichen Bereich sind unzufrieden mit dem, was das Bildungssystem für die Chancengleichheit leistet, knapp 3 von 4 sagen, dass die Personalausstattung vorne und hinten nicht reicht, und über die Hälfte ist der Meinung, dass die Kompetenzvermittlung, eine, wenn nicht die Kernaufgabe des Bildungssystems, nicht zufriedenstellend gelingt.

Besonders auffällig: Die 250 Befragten sind sich über alle Bildungsbereiche hinweg einig, dass in die frühkindliche Bildung am meisten investiert werden muss, um die Grundlage für die weitere Bildungslaufbahn zu stärken. Wären sie Bil­dungs­mi­nis­te­r:in und hätten mehr Geld zu verteilen, würden 41 Prozent der Befragten diese in die frühkindliche Bildung stecken.

Es gibt auch Hoffnung

Diese starke Beachtung des frühkindlichen Bildungsbereichs ist bemerkenswert. Sie kann als ein deutlicher Hinweis für die Politik verstanden werden, in diesen Bereich stärker zu investieren. Entsprechend wichtig wird es, in den nächsten Jahren die Qualität der Vorschuleinrichtungen auszubauen und ausreichend Personal durch gute fachliche Aus- und Weiterbildung zu gewinnen und zu halten.

Hoffnungsvolle Botschaften gibt es auch: Mit der Vermittlung demokratischer Grundwerte zeigten sich im Herbst 2023 insgesamt mehr Ex­per­t:in­nen zufrieden als unzufrieden. Angesichts von wachsendem Rechtsextremismus in Politik und Gesellschaft ist das allerdings kein Grund, sich auszuruhen, denn Demokratie will gelernt werden, von der Pike an bis ins hohe Alter. Ob ein Bildungssystem demokratische Werte auch lebt, zeigt sich dann nicht nur am Wahlverhalten, im gesellschaftlichen Miteinander, sondern auch im Beitrag des Systems zu mehr Chancengleichheit und Teilhabe, zu Möglichkeiten der Mitbestimmung.

Es sind die Lernenden, die sich generell am unzufriedensten mit dem Bildungssystem äußern: Über die Hälfte ist unzufrieden, nur 10 Prozent sind ansatzweise zufrieden. Zum Vergleich: Aus der Bildungspolitik ist knapp je­de:r Vierte eher zufrieden. Hier ist die Politik gefragt, bei denen genauer hinzuhören, die vom Bildungssystem profitieren sollen, und die politische Zuversicht so in die Praxis zu bringen, dass sie auch bei den Lernenden ankommt.

Insgesamt ist es eine nüchterne Bewertung des deutschen Bildungssystems, die aber zugleich den Finger in die Wunde legt und deutliche Hinweise für politische Ansätze formuliert. Die wichtigsten sind: die stärkere Berücksichtigung des frühkindlichen Bereiches und eine stärkere Beteiligung der Lernenden an der Gestaltung von Inhalten und Abläufen. So gesehen zeigt der Bildungsindex auf, was jetzt dringend zu tun ist.

Sarah Fichtner arbeitet als Senior Researcher und Projektleiterin am FiBS-Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin. Klaus Hurrelmann, Sozial- und Bildungsforscher, ist Senior Expert am FiBS-Forschungsinstitut.

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1 Kommentar

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  • "So gesehen zeigt der Bildungsindex auf, was jetzt dringend zu tun ist." Eigentlich ist jetzt die falsche Formulierung, das "jetzt" gilt doch schon seid Jahren, wir (oder die entsprechenden Entdscheidungsträger*innen) haben es einfach nur ignoriert oder aus Kostengründen abgelehnt.