: „Früher feierten die Leute, heute packen sie die Koffer“
Bergbau findet in Spanien unter schmutzigen Bedingungen statt und führt zu Recht zu Protesten, sagt Cristóbal López Pazo, Bergbauexperte bei der spanischen Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción
Interview Reiner Wandler
taz: Herr López Pazo, Ihre Organisation Ecologistas en Acción hat bei der EU-Kommission Beschwerde gegen die Aufnahme von sechs Bergbaugebieten in Spanien in die Liste der „strategischen Projekte“ eingelegt. Warum?
Cristobal López Pazo: Diese Projekte werden der Umwelt schaden. Einige dieser Projekte sind bereits in Betrieb. Sie haben zum Teil eine lange Liste von Strafen, Stilllegungen und Wiederinbetriebnahmen hinter sich. So wurde etwa der Projektentwickler der Mine Las Cruces in der Provinz Sevilla verurteilt, weil wiederholt das Grundwasservorkommen, das Tausende von Menschen mit Wasser versorgt, verunreinigt wurde. Aguablanca in Extremadura ist ohne Genehmigung in Betrieb und versucht nun mit einer rechtlich abgelaufenen Umweltverträglichkeitserklärung weiterzumachen. Auch hier weisen die Gewässer hohe Werte an Quecksilber, Cadmium und Selen auf. Die Mine La Parrilla – ebenfalls in Extremadura – wurde gar wegen schwerer Umweltverschmutzung geschlossen und mit einer Geldstrafe belegt. Das sind nur die schlimmsten Beispiele.
taz: Könnte der Abbau sicherer gemacht werden, wenn die EU diese Minen als strategische Projekte einstuft?
López Pazo: Bergbau ist von sich aus eine für die Umwelt schädliche Aktivität. Natürlich, wenn alles richtig gemacht wird, kann dies Schäden verhindern. Wenn nicht in offenen Bergwerken abgebaut wird, die Weiterverarbeitung in Hallen stattfindet und dazu kein Wasser genutzt wird, dann hilft dies, Kontaminierung zu vermeiden. Aber das ist nicht der Fall. In Spanien wird immer offen gearbeitet, der Staub der Minen verseucht die gesamte Gegend, die Abwässer enden in großen Becken. Hinzu kommt, dass die meisten Bergwerke nur eine sehr geringe Ausbeute haben. Das gesuchte Material macht oft gerade einmal ein Prozent des Abbaues aus, es wird unter großem Aufwand gewonnen. Das führt zu riesigen Abraumhalden und sehr viel Abwasser, zum Beispiel bei Kupfer und Gold. Die Vorkommen, die ausgebeutet werden sollen, sind oft nicht mehr sehr reichhaltig. Aber was früher nicht rentabel war, ist es dank der steigenden Nachfrage und der steigenden Preise heute.
taz: Warum ist der Abraum ein Problem?
López Pazo: Beim Bergbau wird leider nicht nur das freigesetzt, nachdem wir suchen. Wo es ein begehrtes Metall gibt, kommen meist auch andere Metalle vor, die nicht erwünscht und sogar hochgiftig sind, wie zum Beispiel Blei, Quecksilber, Cadmium, bis hin zu radioaktiven Elementen.
taz: Wo sollen ohne Bergbau die Rohstoffe, etwa für die Energiewende, herkommen?
López Pazo: Wenn vor 80 oder 100 Jahren eine Bergbaufirma in eine Region kam, feierten die Leute mit Sekt. Heute packen sie die Koffer oder gehen auf die Barrikaden. Warum? Weil mittlerweile jeder weiß, wie der Bergbau funktioniert, wie er alles kontaminiert. Und so gut wie keine Mine wird nach Ende des Abbaus renaturiert, wie das eigentlich vorgeschrieben ist. Das ist den Unternehmen zu teuer. Die Betreiberfirma meldet üblicherweise Bankrott an, so kann der Mutterkonzern nicht belangt werden, da ein kompliziertes Firmengeflecht dazwischengeschaltet ist, viele davon in Steuerparadiesen. Nicht um Steuern zu sparen, sondern damit sie nicht juristisch belangt werden können.
taz: Könnte man das Problem lösen, indem man weniger verbraucht und etwa mehr recycelt?
López Pazo: In der EU wird, außer einigen wenigen Metallen, keine effektive Wiederverwertung betrieben. Bei vielen Metallen liegt die Recyclingquote unter 2 Prozent, es ist billiger, immer weiter abzubauen. Wenn die Bergbauunternehmen die Umweltkosten ihrer Projekte voll tragen müssten, wäre das anders.
taz: Würde mehr Recycling den Bedarf decken?
López Pazo: Nein, ganz sicher nicht …
taz: … wenn wir hier nicht abbauen, dann geschieht das im Globalen Süden. Dort sind die Arbeitsbedingungen und Umweltrichtlinien lascher als hier. Ist es da nicht besser, den Bergbau in Europa zu betreiben, unter europäischen Auflagen?
López Pazo: Von Spanien aus betrachtet, sollten wir mit dem Begriff Globaler Süden vorsichtig umgehen. So sind die Auflagen für Bergbau etwa in Südamerika und sogar in China strenger als hier. Hier gibt es Bergwerke mit offenen Abwasserbecken an Oberläufen von Flüssen und mit Abbaumethoden, die in China so nicht erlaubt würden. Klar, solche Auflagen kommen nicht von ungefähr. In Südamerika wurden sie nach mehreren schweren Unfällen mit vielen Toten verschärft.
taz: Auch hier gab es vor 27 Jahren einen schweren Unfall. In Aznalcóllar in Südspanien brach der Damm des Stausees für giftige Abwässer. Eine ganze Region wurde verseucht. Wurden danach Gesetze verändert?
López Pazo: Nein, es geschah nichts. Die Betreiberfirma ging pleite. Der Konzern dahinter wurde nie belangt. Jetzt hat er sogar die Genehmigung bekommen, den Betrieb wiederaufzunehmen, mit der gleichen Abbaumethode und dem gleichen Abwassermanagement wie damals. Und wieder ist es eine lokale Betreiberfirma und eine weitere in einem Steuerparadies, die dazwischengeschaltet wurden, um Verantwortlichkeiten zu vertuschen, falls was passiert.
taz: Wie wäre ein anderer Bergbau möglich?
López Pazo: In einigen Ländern Mittelamerikas ist der offene Bergbau verboten. In Österreich gibt es Beispiele von Untertagebau, wo das Material in Rohren zu den entsprechenden Anlagen transportiert wird. Das Metall wird in geschlossenen Hallen und trocken gewonnen. So wird Umweltverschmutzung weitgehend ausgeschlossen. Die Unternehmen müssen in die Verantwortung genommen werden. Es kann nicht sein, dass sie die Gewinne einstreichen und die Allgemeinheit für die Schäden aufkommt. Keiner würde einsehen, dass der Bäcker gegenüber die ganze Straße zumüllt und nichts passiert. Warum lassen wir das bei den Bergwerken zu?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen