Friedrich über Bahnradsport: „Ich bin nicht mehr so entspannt“
Weltmeisterin Lea Sophie Friedrich erzählt, warum sie sich auf die Champions League freut. Der bisherige Erfolg sei allerdings auch herausfordernd.
wochentaz: Frau Friedrich, wie groß ist die Vorfreude auf die Track Champions League?
Lea Friedrich: Sehr groß. Ich freue mich einfach darauf, wieder Rad zu fahren. Ich bin gespannt, wie es diesmal so läuft, auch im Vergleich zum letzten Jahr.
Im letzten Jahr waren Sie in der Sprintwertung Zweite, hinter Emma Hinze, die jetzt das Rennen auslässt. Sind Sie damit automatisch Favoritin?
Ja, das haben schon viele gesagt. Aber deswegen mache ich mir keinen Stress. Ich will geben, was ich kann, und dann werde ich schon sehen, was dabei herauskommt. Aber klar, es wäre cool, zu gewinnen.
Sie lassen sich nicht von der Favoritinnenrolle erdrücken?
Gar nicht. Das wäre auch eine falsche Heransgehensweise. Die Konkurrenz ist auch eine andere als letztes Jahr. Darauf muss man sich einstellen. Die Gegner kennen die Stärken der deutschen Fahrerinnen und auch, was unsere Schwächen sind. Das werden sie versuchen auszunutzen. Es ist einfach ein ganz neues Spiel. Und man muss schauen, wie sich das entwickelt und wie die Ergebnisse sein werden. Aber Stress mache ich mir da nicht. Ich freue mich einfach darauf, so ein Rennen zu fahren, und will dabei mein Bestes geben.
Sie sagten, die anderen wissen, was die deutschen Fahrerinnen können und was sie nicht können. Was denken Sie, was Sie nicht können?
Oh, schwierige Frage. Das würde den Rahmen sprengen, das detailliert zu beantworten. Aber im Sprint und im Keirin geht es sehr viel um Taktik. Und unsere Gegner sehen schon, wie unser Fahrstil ist, und versuchen dann herauszubekommen, wie dieser Fahrstil schlagbar ist. Natürlich bleiben wir selbst auch nicht immer bei diesem Fahrstil. Aber wir nutzen unsere guten Eigenschaften. Ich zum Beispiel habe extreme Kondition, ich kann sehr, sehr lange schnell fahren und das wissen die Gegner ja auch. Und da schauen die natürlich, dass sie mein Hinterrad ausnutzen oder in meinem Windschatten fahren.
Wie gefällt Ihnen der Modus und die Atmosphäre bei der Champions League, auch im Vergleich zu den üblichen Bahnwettkämpfen?
22, gewann zwischen 2020 und 2022 drei WM-Titel und bei den Olympischen Spielen in Tokio die Goldmedaille im Teamsprint. Die Bahnradfahrerin ist nach einem dualen Studium auf der Bundespolizeisportschule in Kienbaum mittlerweile Polizeimeisterin.
Ich fand es letztes Jahr schon ganz schön hart, weil wir viele Läufe und wenig Pausen dazwischen haben. Das habe ich auch kritisiert und hoffe, dass davon etwas umgesetzt wird. Richtig gut ist, dass die Sprecher den Wettkampf gut und anschaulich erklären, was gerade passiert auf der Bahn. Da verstehen auch Menschen, die sich sonst nicht so gut mit Bahnradsport auskennen, worum es geht. Auch die Musik, die gespielt wird, ist cool. Ja, es macht viel Spaß da zu fahren.
Spielt das Preisgeld, immerhin 25.000 Euro pro Kategorie, auch eine stimulierende Rolle?
Das Preisgeld ist natürlich schön. Aber als Sportler wollen wir immer gewinnen, das gehört einfach dazu.
Wie sind Sie zum Bahnradsport gekommen?
Ich habe mit 10 Jahren begonnen. Ich habe davor auch anderen Sport getrieben, ich war im Laufen und im Weitsprung richtig gut. Ich bin auch geritten. Aber dort hat man dieses Katz-und-Maus-Spiel der Taktik nicht so wie im Radsport. Beim Reiten kommt es auch mehr auf das Pferd an. Das macht nicht immer das, was ich möchte, ein Fahrrad aber schon. Und dann hat man mir gesagt, dass ich auf dem Rad viel Talent habe. Deshalb bin ich dabei geblieben, habe viel auf der Betonbahn in Rostock trainiert.
Die wurde in den 1980er Jahren auf Initiative von Peter Sager, dem Jugendtrainer von Jan Ullrich, gebaut, damit Talente aus dem hohen Norden Trainingsmöglichkeiten auf der Bahn haben. Neben Ullrich haben andere Straßenstars wie André Greipel dort ihre ersten Runden gedreht. Sie aber sind dem Bahnradsport treu geblieben. Was fasziniert Sie daran?
Ich finde es reizvoll, weil es einerseits um Schnelligkeit geht. Aber man muss auch clever sein, muss kämpfen, eine gute Taktik haben und ein Gespür für die Situation. Und dann kommt hinzu, dass man zwar oft gegeneinander fährt, im Teamsprint arbeitet man aber zusammen, ist eine Gemeinschaft. Das gefällt mir.
Was fahren Sie lieber: Sprint oder Keirin?
Oh, das ist schwer zu beantworten. Im Keirin bin ich zwar erfolgreicher …
… Sie sind zweifache Weltmeisterin und Europameisterin …
… aber ich mag beide Disziplinen sehr. Ich kann mich nicht gegen eine von ihnen entscheiden. Beide Disziplinen haben ihre Eigenarten und schönen Seiten.
Wie sehr wurmt Sie das, im Sprint noch nicht das Regenbogentrikot erobert zu haben?
Ja, irgendwann will ich das schon erreichen, aber ich bin da ja mit zwei Silbermedaillen auch erfolgreich und vorn dabei.
Die letzten zwei Jahre waren für sie extrem erfolgreich. Wie gehen Sie damit um? Wie viel Schub gibt das? Und haben Sie auch gemerkt, dass Sie sich verändert haben durch die Erfolge?
Ja, ich habe mich schon verändert, glaube ich. Ich bin nicht mehr so entspannt, wie ich es mal war. Ich bin ein bisschen angespannter, denn es lastet natürlich Druck auf einem, gerade wenn man Titel zu verteidigen hat. Das ist immer nicht leicht. Man ist die Gejagte, jeder schaut auf einen. Man muss versuchen, einen Weg zu finden, damit umzugehen. Ich muss jetzt schauen, dass ich eine gewisse Gelassenheit beibehalte.
Hat sich im Alltag für Sie etwas verändert?
Ich werde schon viel angesprochen. „Sie sind doch die aus dem Fernsehen und fahren so schnell Rad?“ Und in dem Haus, in dem ich wohne, wissen natürlich alle, wer ich bin und was ich mache. Die freuen sich aber auch riesig darüber, eine erfolgreiche Sportlerin in ihrem Haus zu haben.
Wo bewahren Sie eigentlich Ihre vielen Trikots von WM- und EM-Erfolgen auf?
Sie hängen schön gerahmt an der Wand. Und ich erfreue mich an ihrem Anblick, daran, was ich schon erreicht habe. Das ist so cool, das zu sehen. Und es gibt mir auch Motivation für das harte Training, das dazugehört, und die Zeit, die man opfert. Das sehen ja viele nicht, aber das ist auch nötig. Die Beine brennen dir vom Laktat. Oder du musst dich übergeben auf dem Rad. Das ist nicht immer angenehm. Aber ich weiß zumindest, dass es mich härter und besser macht. Und wenn ich dann vor den Trikots stehe, sehe ich eben auch, dass sich das auszahlt.
Wie schlägt das etwas veränderte Training an, das mit dem Umzug von Schwerin nach Cottbus verbunden war?
Ich finde, dass Veränderungen gut tun, man kann nicht immer dasselbe machen. Gemeinsam mit meinem Trainer versuchen wir, da immer etwas Neues einzubauen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Emma Hinze? Sie ist ja die größte Rivalin. Jetzt wohnen Sie mit ihr in derselben Stadt, trainieren auf derselben Bahn, in derselben Trainingsgruppe.
Im Privaten wie im Sportlichen kommen wir gut miteinander klar. Wir sind aber nicht in derselben Trainingsgruppe. Jede von uns hat ihren eigenen Trainer, der als Ansprechpartner da ist. Ich finde das auch gut so. Miteinander verstehen wir uns gut, wir fahren ja auch gemeinsam im Teamwettbewerb. Aber klar, wenn wir auf der Bahn gegeneinander starten, sind wir Kontrahentinnen, da will jede gewinnen, da gibt es keine Freundschaft.
Von den vier Bahnen, auf denen die Champions League ausgetragen wird, welche gefällt Ihnen da am besten: Mallorca, Berlin, Paris oder London?
Auf Mallorca ist das Wetter am besten, die Bahn in Paris gefällt mir auch gut. Berlin mag ich aber sehr, das ist schon meine Lieblingsbahn. London hingegen ist nicht so mein favorisierter Ort, muss ich ehrlich sagen. In Berlin ist natürlich auch die Atmosphäre besonders. Allein, wenn ich an die Weltmeisterschaft 2020 zurückdenke: Das war schon richtig cool, als da so viele gejubelt haben.
Sie waren früher auch mal Fußballerin, korrekt?
Ja.
Es wird jetzt die WM in Katar ausgetragen. Werden Sie die Spiele anschauen?
Nein, Fußball interessiert mich nicht mehr. Obwohl, Frauenfußball schon, die letzte EM zum Beispiel hat mich sehr interessiert. Aber der Rest ist nicht so meins.
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