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Friedliche Proteste in GazaMenschenkette gegen Blockade

Mit einer Menschenkette protestieren tausende Palästinenser gegen die Abriegelung des Autonomiegebietes. Ein gewaltsamer Vorstoß blieb aus.

"Notfalls auf die Beine schießen": Befehl an die israelische Armee. Bild: ap

JERUSALEM taz Eine Menschenkette von der Grenzstadt Rafach im Süden bis nach Beith Hanoun im Norden des Gazastreifens soll der seit acht Monaten andauernden israelischen Blockade ein Ende machen. Einige Tausend Kinder, Jugendliche und Frauen versammelten sich am Montag zu der Protestaktion. Auf Schildern war zu lesen "Rettet Gaza" und "Öffnet die Grenzen" gegen die Abriegelung und "Wir sind hungrig". Aus Sorge vor einem gewaltsamen Durchbruch auf israelisches Gebiet wurden 6.000 Soldaten und Grenzschützer mit dem Auftrag postiert, notfalls auf die Beine der Palästinenser zu schießen.

Sie kamen nicht zum Einsatz. Polizisten der Hamas hinderten hunderte Demonstranten daran, zu dicht an die Grenze heranzukommen. "Wir hatten nie vor, die Grenze zu stürmen", meint Jamal al-Khudari vom "Komitee gegen die Besatzung", das die Menschenkette organisierte. Der unabhängige Parlamentarier betont, dass die Hamas mit der Protestaktion "nichts zu tun hat". Tatsächlich organisierte das Erziehungsministerium im Gazastreifen Busse, um die Schüler zu der Menschenkette zu bringen. Anstelle der von den Veranstaltern erwarteten 45.000 Demonstranten kamen nur 5.000, wie die israelische Tageszeitung Haaretz im Internet berichtete.

Gestern früh hatte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri gedroht, "die Blockade mit allen Mitteln zu durchbrechen". Ende Januar hatten Hamas-Aktivisten die Grenzanlagen nach Ägypten gesprengt und damit hunderttausenden Palästinensern ermöglicht, sich mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und Benzin zu versorgen, bis die Ägypter die Grenze wieder schlossen.

"Es wird nicht zu einer Wiederholung der Ereignisse an der Grenze zu Ägypten kommen", hatte Israels Vizeverteidigungsminister Matan Wilnai noch vor der Demonstration angekündigt. Israel werde "alles unternehmen, was unternommen werden muss", um einen Grenzdurchbruch zu verhindern. In einer Presseerklärung des israelischen Außen- und des Verteidigungsministeriums heißt es, die "Hamas steht hinter der Aktion, die bewusst palästinensische Zivilisten an die Front stellt". Israel werde Demonstrationen im Gazastreifen nicht beeinträchtigen, jedoch "jede Verletzung seiner Souveränität verhindern".

Der Übergang Erez für den Personenverkehr blieb gestern gesperrt. Am südlicher gelegenen Grenzkontrollpunkt Karni konnten bis Mittag noch einige Lastwagen ihre Nahrungsmittel-Lieferungen loswerden, bevor die Grenze offiziell "aufgrund schlechter Wetterlage" wieder geschlossen wurde.

"Die Waren, die jetzt noch geliefert werden, reichen gerade, um uns am Leben zu erhalten", schimpft der palästinensische Psychologe Dr. Eyad Sarraj vom "Komitee gegen die Besatzung". Die Preise für Fleisch und Milchprodukte seien in den vergangenen Monaten "bis auf das Fünffache gestiegen". Seit Tagen könne er nicht mehr mit dem Auto fahren, weil der Tank leer seit, berichtet Sarraj. Außerdem werde "täglich für acht Stunden" der Strom abgestellt.

Zusammen mit israelischen Friedensgruppen arbeitet das unabhängige Komitee an einem erneuten Appell an die israelische Regierung und die Hamas-Führung im Gazastreifen, sich auf einen Waffenstillstand zu verständigen. Bei einem Raketenangriff auf die Stadt Sderot trug gestern ein zehnjähriger Junge schwere Verletzungen davon. Drei Hamas-Kämpfer starben bei Luftangriffen der israelischen Armee auf den Gazastreifen. Die Hamas hat sich wiederholt zu einem Waffenstillstand bereiterklärt. Israel lehnt das ab.

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3 Kommentare

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  • DD
    Dimitrij der samizdatschik

    Wer mal im Ostblock zu kommunistischen Zeiten gelebt hat, wird bei den Bildern ein Dejavuerlebnis gehabt haben. Schulkinder zusammen mit den Lehrern klassenweise zur Demonstration gefahren, um vorgedruckte Plakate zu halten, eine vorgeplante Menschenkette an der geplanten Strecke zu bilden und vorgegebene Losungen zu rufen. Irgendwie kommt mir das bekannt vor... Den Menschen geht es schlecht im Streifen, keine Widerrede, aber die Demo war eine Show für die Journalisten, das war offensichtlich. Und sie sind, wie immer, darauf reingefallen. Besonders zynisch zeigte sich die Hamas wie auch das Bewusstsein der Journalisten, als, wie von Samizdata beschrieben, nach der aufgeführten Demo ein israelischer Junge schwer (musste mittlerweile zweimal operiert werden) verletzt, ein Kleinkind und eine Frau "leicht" verletzt wurden. Die Menschen gingen einfach so auf der Straße, taten nichts und wurden dafür bestraft, die Demonstranten in Gaza warfen mit Steinen und zündeten Reifen an, es passierte ihnen nichts. Die einzigen Opfer im Gazastreifen waren drei Terroristen, die als Antwort auf den Raketenbeschuss einem Armeeschlag zum Opfer gefallen sind. Wer ist hier der Aggressor? Natürlich Israel, denn die Hamas will nur spielen.

  • S
    Samizdata

    Was soll denn an diesem Artikel ausgewogen sein? Hier wird, wie nicht selten wenn sich die taz mit dem Nahost-Konflikt befasst, wissentlich frech gelogen. Während sich propagandagerecht Kleinkinder und Mütter die Händchen halten um ihr Leid zu beklagen, schießt die Hamas im Schatten der begierigen Kameras der Westkorrespondenten zeitgleich wieder Kassamraketen auf die israelische Kleinstadt Sderot ab. Ergebnis: 1 schwerverletzter Junge. Bei der taz wird daraus ein eingehaltener Waffenstillstand der Hamas. Einfach nur noch irre wie unvefroren hier gelogen wird, nur damit das Bild von der "caritativen" und "sozialverträglichen" Hamas bei der taz weiterhin Bestand haben kann.

     

    Wir merken uns also: Ein schwerverletzter israelischer Junge und eine unbehelligte Demonstration ohne Verletzte auf palästinensischer Seite wird bei der Tante aus Berlin zur Demonstration eines eingehaltenen Waffenstillstandes seitens der Hamas. Helau!

  • K
    K.T.

    Kaum zu glauben wie ausgewogen und sachlich Frau Knaul Artikel zum Thema Gaza-Streifen verfassen kann. Wo bleiben ihre üblichen einseitigen Ausfälle gegen die Hamas. Es hätte sich hier doch angeboten, den Hinweis einzuflechten, dass die Hamas mal wieder die unschuldige Bevölkerung als Geisel nimmt. Dies ist der übliche Stil, an den mich Frau Knauls Artikel gewöhnt haben. Weiter so Frau Knaul. Ihrer Verantwortung vielleicht doch noch gerecht werdend.