Friedensprozess für Libyen: In der Sackgasse
In Libyen soll noch dieses Jahr gewählt werden, um den Krieg dauerhaft zu beenden. Doch Kriegsherr Haftar droht bereits mit einer neuen Offensive.
![Abdulhamid Dbaiba mit einer Deligation aus Militärvertretern Abdulhamid Dbaiba mit einer Deligation aus Militärvertretern](https://taz.de/picture/4964626/14/Abdulhamid-Dbaiba-Friedensprozess-Libyen-1.jpeg)
Die aus verschiedenen Regionen und Gesellschaftsgruppen ausgewählten Libyer hatten im Frühjahr eine Übergangsregierung unter Abdulhamid Dbaiba ins Amt gewählt. Doch nun ist man sich über die nächsten Schritte auf dem Weg vom Waffenstillstand zu einem landesweit gewählten Parlament nicht mehr einig.
Während eine Fraktion zunächst einen Präsidenten wählen lassen will, sprachen sich andere für eine Parlamentswahl mit beziehungsweise ohne politische Parteien aus. Andere wiederum wollten die Libyer zunächst über einen Verfassungsentwurf abstimmen lassen. Die ethnischen Minderheiten Libyens lehnen diesen jedoch strikt ab und wehren sich gegen die Dominanz der arabischen Kultur und Sprache in dem multiethnischen 6-Millionen-Einwohner-Land.
26 Mitglieder des LPDF schrieben eine Beschwerde an die UN-Mission für Libyen (Unsmil), die in die Schweiz geladen und verschiedene Optionen zur Diskussion vorgelegt hatte. Die heftigsten Wortmeldungen, inklusive rassistischer Beleidigungen des ghanaischen Unsmil-Vizechefs, gab es bei der Idee einer Parlamentswahl bei gleichzeitiger Verlängerung der Amtszeit der aktuellen Regierung unter Dbaiba.
Umstrittene Wahlen
Dbaiba soll in seiner bis Dezember laufenden Amtszeit die aufgelöste ostlibysche Parallelregierung und die Regierung in der Hauptstadt Tripolis vereinen und die für Dezember geplante Wahl vorbereiten. Doch nach der Vorstellung seines Kabinetts erwähnte er die Wahl im Dezember mit keinem Wort mehr. In Berlin hingegen drängten die internationalen Konferenzteilnehmer die libysche Delegation im Juni, die Wahl durchzupeitschen.
Doch gegenüber der taz äußerten sich Berater von Regierungschef Dbaiba skeptisch: „Wahlen gelten in diplomatischen Kreisen als Meilenstein im Übergangsprozess von einer Konfliktregion zur Demokratie“, sagte Abdelnasser al-Najah, „doch ohne die Etablierung von politischen Parteien werden dadurch eventuell nur die bestehenden Stammes- oder Milizenstrukturen verstärkt. Zudem benötigen Zivilgesellschaft und Politiker die Garantie von den internationalen Partnern (der libyschen Akteure, Anm. d. Red.), dass die Ergebnisse auch anerkannt werden.“ 2014 hatten Milizen aus Misrata und Tripolis die Ergebnisse der Parlamentswahl bestritten.
Das einwöchige Arbeitstreffen bei Genf zeigt, wie groß die Spaltungen in dem Land weiterhin sind. Delegierte berichten zudem von Bestechungsversuchen, Drohanrufen und Geheimabsprachen während der Genfer Gespräche. „Diese auf Geld oder Stammesbeziehungen basierenden Parallelabsprachen gefährden den Einfluss der Zivilgesellschaft und der Frauen auf den demokratischen Übergangsprozess in Libyen“, sagte Elham Saudi, Menschenrechtsaktivistin und LPDF-Mitglied, der taz am Telefon aus Genf.
Von Deutschland, einem der größten Geldgeber der UN-Mission für Libyen, fordern Aktivisten wie Saudi, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sich Wahlen und dem Friedensprozess in den Weg stellen. Der ehemalige Leiter der libyschen Wahlkommission, Othman Gajiji, hält die Durchführung der Wahl im Dezember kaum noch für möglich und kritisiert den mangelnden Druck auf die libyschen Akteure.
Feldmarschall Chalifa Haftar ließ derweil bereits verkünden, er werde einen neuen Versuch starten, die Hauptstadt von Milizen zu befreien, sollte die Wahl nicht stattfinden.
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