Friedensnobelpreis für die EU: Vorschusslorbeeren für Europa
Amnesty International und der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands üben Kritik an der EU. Es geht vor allem um die Flüchtlingspolitik.
BERLIN afp/epd/taz | Der Europäischen Union (EU) wird am heutigen Montag der Friedensnobelpreis verliehen. Diese Preisvergabe wird von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) scharf kritisiert. Besonders die Flüchtlingspolitik steht im Mittelpunkt der Kritik. Die EU und deren Mitgliedstaaten trügen damit „zum Teil selbst zu Menschenrechtsverletzungen bei“, erklärte Wolfgang Grenz, AI-Generalsekretär in Deutschland, am Freitag.
In der Praxis bekämpfe Europa Menschenrechtsverletzungen „oft nicht entschieden genug, etwa die Diskriminierung von Roma in EU-Staaten“, so Grenz weiter.
Der Friedensnobelpreis wird am Montag, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, Vertretern der Union in der norwegischen Hauptstadt Oslo verliehen. Europa müsse dies als Verpflichtung für die Zukunft verstehen, so der AI-Generalsekretär: „Denn bisher wird sie auf dem Gebiet der Menschenrechte ihren eigenen Ansprüchen oft nicht gerecht, insbesondere ihre Asyl- und Flüchtlingspolitik ist eines Nobelpreisträgers nicht würdig.“
Das gelte zum Beispiel im Fall der Roma, die etwa „in Tschechien, Ungarn und Rumänien, aber auch in Italien und Frankreich“ unter anderem beim Zugang zu Bildung diskriminiert würden.
Europäische Unterstützung für Waffenkontrolle
Grenz beklagte des Weiteren, dass die EU trotz einer guten Menschenrechtsstrategie außenpolitische Ziele aufgebe, „wenn Wirtschafts- oder Sicherheitsinteressen im Spiel sind“. Positiv hob er die europäische Unterstützung für ein internationales Abkommen zur Waffenkontrolle hervor, das Waffenlieferungen an Staaten verhindern soll, die Menschenrechtsverletzungen begehen.
„Leider haben auch EU-Staaten in der Vergangenheit Waffen geliefert, obwohl sie davon ausgehen mussten, dass diese etwa für das Niederschlagen von Protesten eingesetzt werden“, so Grenz. „Es kann nicht sein, dass Menschen sterben müssen, nur weil sich die Staaten nicht über ihre Rettung einigen können“, sagte Grenz mit Blick auf die immer wieder im Mittelmeer ertrinkenden Bootsflüchtlinge.
„Das Nobelpreiskomitee ehrt hier wohl den Willen vor der Tat“, meint auch Helmut Metzner vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands Deutschlands (LSVD). „Angesichts der fortdauernden Diskriminierung von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten in verschiedenen EU-Mitgliedsländern kann die Verleihung – ähnlich wie beim Nobelpreis für US-Präsident Barack Obama – nur als Ermunterung oder als Vorschusslorbeeren verstanden werden.“
Die EU solle die Ehrung als Ansporn sehen, die eigenen Beschlüsse ernst zu nehmen, so Metzner weiter: „Schließlich ist die Europäische Union nicht nur eine Wirtschafts-, sondern vor allem eine Wertegemeinschaft.“
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