Fridays for Future im Libanon: Zaghaft „on Fire“ in Beirut
Im Libanon gibt es viele Umweltprobleme – trotzdem unterstützen nur wenige Menschen die Proteste. Warum ist das so?
Am 20. September streikten in Beirut etwa 100 Jugendliche für eine nachhaltige Politik, am Freitag kamen mehr als 200. Ihre Wut haben sie kreativ auf Plakate gebracht: „Beirut on Fire“, „Ich möchte einen heißen Freund, keine heiße Erde“, „Es ist so schlimm, sogar die Introvertierten sind hier“.
„Wacht auf!“, ruft die Schülerin Ike Arzoumanen. Sie selbst lebt vegan, reist wenig, recycelt und versucht, Nachbarn, Familie und Freund*innen zum Recyceln anzuregen. Ihre Eltern seien noch skeptisch. „Sie wollten mich erst nicht zum Protest lassen, aus Angst, es sei zu gefährlich.“ Hinter ihr hupt ein Autofahrer. Ältere Männer halten am Straßenrand mit ihren Handys auf das Geschehen, filmen.
Während in Europa tausende Menschen für den Klimaschutz auf die Straße gehen, ist die Bewegung im Libanon klein. Dabei trifft der Klimawandel die Länder des Mittelmeerraums schneller als im globalen Trend. Gerade im Libanon gäbe es außerdem viel zu ändern: Der Müll lagert unbehandelt auf Deponien am Mittelmeer. Täglich gibt es geplante Stromausfälle, kompensiert mit privaten Generatoren und fossilen Brennstoffen. Politiker machen Geld im Öl- und Gassektor. In Beirut sind die Straßen voll und SUVs im Trend.
Warum schließen sich nicht mehr Libanes*innen der Klimastreik-Bewegung an? „Die Menschen sind gerade mit anderen Themen beschäftigt, zum Beispiel dem Verfall unserer Währung“, sagt Leen Assiri, Studentin im ersten Studienjahr an der Amerikanischen Uni. „Sie wollen etwas verändern, aber die Regierung hat sie schon im Stich gelassen.“
Wenig Information über Klimawandel
2015 protestierten Tausende im Libanon gegen das Müllproblem. „Ich glaube, sie sind müde, manche sind zynisch.“ Laut Maya El-Haj, Bauingenieur-Studentin, fehlt es an Informationen: „In den Schulen legen sie nicht viel Wert darauf, uns beizubringen, auf die Umwelt zu achten.“ Ihr Wissen über den Klimawandel habe sie aus den sozialen Medien. Auch dort hapert es an Unterstützung. Ein Video der Initiative „Live Love Beirut“ mit dem Aufruf zum Klimastreik kommentierten Instagram-Nutzer*innen mit „Bullshit“ oder „Hysterie“.
Eine weitere Aktion hat Organisator Andrew Succar kurzfristig abgesagt, da die mediale Begleitung fehlte. Geplant war, dem Parlament eine Liste mit Forderungen zum Klimaschutz zu überreichen. „Die lokalen Medien wollten, dass wir die Aktion am Dienstag machen. Aber wir können nicht jeden Tag Schule schwänzen“, sagt Succar. Er fürchtet, dass die Aktivist*innen mit Gewalt von der Polizei aus dem Parlament geholt werden – ohne, dass die Öffentlichkeit dies mitbekäme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken