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Frida Orupabos Fotocollagen in HannoverFiguren von wütender Unordnung

Frida Orupabos Bildcollagen sind eine Art dekolonialer Dada. Dafür erhielt die Künstlerin den Spectrum-Fotopreis samt Ausstellung im Sprengel Museum.

„Sandwoman“ von Frida Orupabo Foto: Michal Brzezinski; Courtesy die Künstlerin und Modern Art, London

Ein grüner Vorhang, dahinter hängt eine wandhohe Fotografie in Schwarz-Weiß. Halb verdeckt zeigt sie das Gesicht einer Schwarzen Frau, der Mund ist geschlossen, der Blick ist stumm. Das Grün der Vorhänge ist das Grün von Nachtsichtgeräten, es zeigt auch bei Dunkelheit die Umrisse von Körpern an, eignet sich gut zur Verfolgung von Menschen. „Grandma’s House“, so heißt diese seltsame Installation, ist das Hauptmotiv der aktuellen Ausstellung von Frida Orupabo im Sprengel Museum in Hannover.

Die Ausstellung eröffnete am letzten Freitag anlässlich der Verleihung des Spectrum-Preises für Fotografie 2025 an die norwegisch-nigerianische Künstlerin. Im Gegensatz zu den vorangegangenen, recht prominenten Trä­ge­r*in­nen des seit 1994 vergebenen Preises – darunter Sophie Calle, Rineke Dijkstra oder Zanele Muholi –, fotografiert Frida Orupabo nicht selbst. Vielmehr findet sie die Fotografien und Filmstills im Netz, häufig aus historischen, kolonialen Bildarchiven, die nunmehr zunehmend online zugänglich sind. Orupabo montiert die Fundstücke zu Collagen, Videos oder eben solchen Rauminstallationen wie „Grandma’s House“. Das Ergebnis sind dadaistisch absurd wirkende Figuren, deren visuelle Fragmente zugleich von rassistischer oder sexualisierter Gewalt sprechen können. Wie es etwa bei ihrer Collage mit dem unschuldigen Titel „Spagaten“ (2022) passiert. Darauf sieht man eine Frau mit weit geöffneten Beinen, der Oberkörper ist in einem Zwangskorsett gefangen, die Brüste sind zwei mit Kirschen garnierte Törtchen, die Gliedmaßen sind mit Spreizklammern zu puppenhaften Objekten montiert, das Gesicht ist ernst.

Das Sprengel Museum zeigt jetzt 32 Arbeiten – Videos, Installationen, Fotocollagen – von Orupabo, die seit 2018 entstanden sind. Erst 2017 hatte Frida Orupabo ihre erste Ausstellung, gemeinsam mit dem bekannten US-Filmemacher und Videokünstler Arthur Jafa. Der hatte ihre digitalen Collagen auf ihrem Instagram-Feed entdeckt und sie gleich an seiner Schau in der Londoner Serpentine Gallery beteiligt. Seither stellt sie weltweit aus, etwa auf den Kunstbiennalen in Venedig und Saō Paulo.

Ihrer dunklen Hautfarbe wegen infrage gestellt

Die Ausstellung

Frida Orupabo: Spectrum, Internationaler Preis für Fotografie, Sprengel Museum Hannover, bis 20. Juli. Katalog: 30 Euro.

Die 1986 in Sarpsborg geborene Frida Orupabo, die Soziologie studiert hatte und in Norwegen länger beruflich mit Opfern von Zwangsprostitution arbeitete, wuchs mit ihrer Schwester in einer, wie sie sagt, „weißen Gesellschaft“ auf. Aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe soll sie als Norwegerin immerzu infrage gestellt worden sein. Auch deswegen sei sie hungrig gewesen nach Bildern, die ihre alltägliche Realität spiegeln konnten. Unter dem Namen @nemiepeba beginnt sie 2013 einen Instagram-Feed mit ihren digitalen Collagen.

In Orupabos Ausstellung findet man viele Verweise auf die kämpferische, feministische Literatur von den US-Schriftstellerinnen bell hooks, Audre Lorde oder Adrienne Rich, aber auch Gedichte des Jazzmusikers und Afrofuturisten Sun Ra. Über die Aggression und Gewalt in ihren Arbeiten sagte sie in einem Interview mit Arthur Jafa: „Ich hatte sehr lange das Gefühl, nicht sprechen zu können. Das Einzige, was ich hatte, waren meine Augen und meine Wut. Wut ist eine Form des Widerstands. Sie sendet eine Botschaft an den ganzen Körper, dass etwas nicht stimmt, […] nicht in Ordnung ist, selbst wenn man schweigt wie eine Auster.“

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