piwik no script img

Freunde des Grünkohls

Rettung Ihre Stammkneipe in Bremen-Walle stand vor der Schließung – doch damit wollten sich einige der Gäste nicht abfinden. Sie gründeten einen Verein und übernahmen den „Druiden“ selbst

Stolz ihrer Betreiber: der „Druide“ in Bremen-Walle Foto: Karolina Meyer-Schilf

Von Karolina Meyer-Schilf

Wollt Ihr noch was?“ Die beiden Paare am Tresen gucken unentschlossen. „Och, nö. Weiß nicht.“ Thruni wartet. Aus den Boxen hinter ihm singt wie bestellt gerade Udo Lindenberg: „Hallo Ober, noch ’ne Ladung, und zwar avanti, avanti!“ Einer der Männer am Tresen seufzt einmal tief und ringt sich schließlich durch: „Dann nehm’ich noch ’ne Linie.“ – „Ich auch.“ – „Ich auch.“ – „Ich auch.“ Alles klar. Viermal Aquavit zum Abschluss, die Gespräche gehen weiter. Thruni schenkt ein.

Heute ist nicht viel los im „Druiden“, sonst aber, das versichern Thruni und Kai, die heute hinterm Tresen stehen, brennt hier die Hütte. „Gestern hättet ihr kommen sollen, da war die Bude voll! Oder morgen, da ist Dart-Turnier.“

Das sah vor sechs Jahren noch ganz anders aus: Der damalige Wirt hatte die Traditionskneipe in Walle, tief im Bremer Westen, ziemlich herunterkommen lassen. „Da kam einiges zusammen,“ erzählt Kai: „Die Kneipe lief nicht mehr, dann ist der Wirt gestorben, und dann kam Bremen und wollte in den Kneipen das Rauchen verbieten – da haben wir gesagt: Jetzt ist aber Schluss.“ Irgendwas, das war den verbliebenen Stammgästen klar, musste jetzt einfach passieren. „So, und dann haben wir gesagt: Wir gründen einfach einen Verein!“ Die Stammgäste übernahmen ihre Kneipe kurzerhand selbst – und retteten sie so vor der Schließung.

Der Ortsteil Osterfeuerberg liegt nicht direkt am Hafen, sondern ist eher beschaulich, ein Wohnviertel, in dem es auch noch kleine Handwerksbetriebe und eben die eine oder andere Eckkneipe gibt. Keine laute Szene-Meile, sondern etwas abseits gelegen, mit ruhigen kleinen Straßen. Das Publikum: Größtenteils Anwohner, die abends noch auf ein, zwei Bier in ihre Kneipe gehen, man kennt sich dort.

Der „Druide e. V.“ hatte anfangs 25 Mitglieder, inzwischen sind es knapp 60. Für fünf Euro Monatsbeitrag ist man dabei. Die Kneipe hat der Verein gepachtet. Besondere Investitionen waren nicht nötig, „die Kneipe war ja da“, sagt Kai, der mit zu den Gründungsmitgliedern gehört. „Wir haben bloß ein bisschen saubergemacht – bei uns ist alles picobello!“

Und tatsächlich, alles sieht aus wie geleckt, die alten grünen Sofas aus den 1970ern, der blankpolierte Tresen mit den Guinness-Handtüchern und darüber die ebenso hässlichen wie milieutypischen Kupferlampen, und natürlich die Dartbahn. Auf die ist Kai besonders stolz, er ist der Dart-Beauftragte des Vereins und zuständig für die Ausrichtung der Turniere und die Pflege der betagten Anlage. „Das gehört zu einer alten Kneipe einfach dazu“, findet er, „solche E-Dart-Daddelscheiben wollen wir hier nicht haben.“

Auch Thruni hat inzwischen eine druidentypische Vereinskarriere vorzuweisen: Beim ersten Mal kam er eher zufällig in die alte Eckkneipe, es gefiel ihm dort und er kam öfter vorbei. „Wenn du herkommst und hast mal Langeweile – hier findest du immer irgendwen, der was Interessantes zu erzählen hat,“ sagt er. Thruni, der eigentlich Matthias heißt, trat dem Verein schließlich bei und wird jetzt von Kai so langsam in den Thekendienst eingewiesen.

Dass eine Kneipe heute mehr bieten muss als ein paar Sofas und einen Tresen, war den „Druiden“-Mitgliedern von Anfang an klar. „Wenn du ’ne Kneipe machst und sitzt nur da und machst ein dummes Gesicht, dann geht das über Kopp“, ist Kai überzeugt. Also machen sie ordentlich Programm, und jeder trägt bei, was er am besten kann: Ein Mitglied arbeitet bei einem Plattenlabel und organisiert regelmäßig Konzerte. Die Künstler, die sowieso in der Nähe auf Tour sind, kommen dann für ein Konzert auch in den „Druiden“. Gage bekommen sie dafür nicht, aber „was zu futtern und Getränke frei, und hinterher geht der Hut rum“. Übernachten können die Künstler immer bei einem der Vereinsmitglieder.

Dass die Kneipe so gut läuft und sich selbst trägt, liegt vor allem an den vielen Veranstaltungen, sind sich Kai und Thruni einig. Und wenn gerade mal kein Konzert oder Dart-Turnier stattfindet, gibt es immer noch Werder: „Wir sind ja auch eine Sky-Kneipe. Wenn Werder spielt, ist hier grün-weißer Alarm!“

„Solche E-Dart-Daddelscheiben wollen wir hier nicht haben“

Kai, Dart-Beauftragter des Vereins

Damit das Ganze aber dauerhaft funktioniert und die Motivation unter den Mitgliedern hoch bleibt, tun sie auch etwas für sich. Grünkohlfahrten im Hochsommer zum Beispiel. Bei 28 Grad saßen sie Ende August vor dem Laden und aßen schwitzend Grünkohl – eine Kultveranstaltung. Sie sind auch schon Torfkahn gefahren, von Bremen in Richtung Worpswede. Auch schön, fanden sie, aber auf ihre Kohltouren lassen sie nichts kommen.

Die Mitglieder sind stolz auf ihre Kneipe, ihren Verein und darauf, dass es ihnen seit nunmehr sechs Jahren so gut gelingt, den Laden am Laufen zu halten. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt Kai und guckt dabei so ehrlich zufrieden, dass die Floskel nicht abgedroschen, sondern authentisch wirkt.

Dass sich inzwischen nur einige Meter weiter die neu entstandene Union-Brauerei mit ihrem großen Brauereilokal etabliert hat, kümmert die „Druiden“-Mitglieder nicht weiter: „Eigentlich ist das ein Vorteil, dass die da sind. Das bringt auch uns neue Gäste“, sagt Kai. „Allerdings plündern die immer unseren Zigarettenautomaten!“

Aber das sei schon okay, finden Kai und Thruni. Schließlich würden die, die von drüben in den „Druiden“ kommen, hier gern eine zum Bier zu rauchen – das darf man im schicken Brauereilokal nämlich nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen