Freispruch für Journalistin: Tolu in Türkei freigesprochen

Nach fast fünf Jahren wurde die Journalistin Meşale Tolu freigesprochen. Ihr und Yücels Fall sorgten für Spannungen zwischen Berlin und Ankara.

Plakat, das die Freilassung von Mesale Tolu fordert

Meşale Tolu wurde freigesprochen: Solidaritätsaktion 2017 für alle inhaftierten JournalistInnen Foto: Stefan Boness

ISTANBUL taz | Nach einem jahrelangen Prozess ist die deutsche Journalistin Meşale Tolu am Montag in Istanbul freigesprochen worden. Da im vergangenen Jahr selbst die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädiert hatte, war das Urteil keine Überraschung mehr. Ganz anders dagegen der gleichzeitige Freispruch für ihren Ehemann Suat Çorlu, mit dem kaum jemand gerechnet hatte.

„Endlich, nach vier Jahren, acht Monaten und zwanzig Tagen Prozess Freispruch in beiden Anklagepunkten“, schrieb Meşale Tolu auf Twitter. Den größten Teil des Prozesses konnte Tolu allerdings von Deutschland aus verfolgen, nachdem sie Ende 2017 nach mehrmonatiger U-Haft zunächst aus dem Gefängnis freikam und im August 2018 dann auch nach Deutschland ausreisen durfte.

Der Freispruch für Meşale Tolu ist der Schlusspunkt unter einer Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Türkei, die im Jahr 2017 eskalierte, nachdem zunächst im Februar 2017 der deutsche Journalist Deniz Yücel inhaftiert wurde, dann Ende April 2017 die Übersetzerin und Journalistin Meşale Tolu und im Juli auch noch der Menschenrechtler Peter Steudtner.

Die Verhaftungen und Inhaftierungen der deutschen JournalistInnen und Menschenrechtler waren zum einen das Ergebnis der damaligen politischen Repression im Anschluss an den Putschversuch 2016 und den folgenden Ausnahmezustand, zum anderen wohl auch der Versuch von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, für die Freilassung der deutschen „Geiseln“ Gegenleistungen zu erpressen.

Meşale Tolu war im April 2017 im Zuge einer Razzia gegen angebliche Mitglieder der verbotenen Marxistisch-Leninistischen Kommunisten Partei MLKP verhaftet worden. Sie arbeitete damals bei der Nachrichtenagentur Etha, die angeblich der MLKP nahesteht. Man holte sie mitten in der Nacht aus dem Bett, ihr Baby musste sie bei Nachbarn zurücklassen. Obwohl Tolu deutsche Staatsbürgerin ist, wurde die deutsche Botschaft zunächst nicht verständigt.

Immer wieder Inhaftierungen kritischer Stimmen

Sie saß monatelang ohne Anklage in U-Haft, ihr Vater konnte ihr nach einigen Wochen ihr Baby in das Frauengefängnis in Bakirköy in Istanbul vorbeibringen. Ihr Ehemann Suat Çorlu war bereits Anfang April ebenfalls wegen angeblicher MLKP-Mitgliedschaft verhaftet worden. In der deutschen Öffentlichkeit, die bereits durch die Inhaftierung von Deniz Yücel mobilisiert war, kam es zu einer breiten Solidarisierung mit Meşale Tolu, insbesondere in ihrer Heimatstadt Ulm.

Am 11. Oktober 2017 begann dann der Prozess gegen sie, ihren Mann und etwa 20 weitere Angeklagte, die alle Mitglieder der verbotenen MLKP sein sollten und darüber hinaus wegen Terrorpropaganda, im Falle der JournalistInnen von Etha, angeklagt wurden. Vier Mitangeklagte wurden verurteilt, der Rest ebenfalls freigesprochen.

Nicht zuletzt auf deutschen Druck kam Meşale Tolu Ende Dezember 2017 dann aus der U-Haft frei und erhielt nach weiteren sechs Monaten, in denen sie sich immer wieder bei der Polizei melden musste, dann auch die Erlaubnis, nach Deutschland auszureisen. Wenig später kam auch ihr Mann frei und konnte ebenfalls nach Ulm ausreisen. Während die beiden von Deutschland aus nun ihren Freispruch zur Kenntnis nehmen konnten, wurden die anderen Etha-JournalistInnen wegen „Terrorpropanda“ verurteilt.

Während Meşale Tolu und Peter Steudtner, der nach vier Monaten U-Haft noch 2017 nach Deutschland ausreisen konnte, letztendlich freigesprochen wurden, verurteilte ein Istanbuler Gericht den Welt-Korrespondenten Deniz Yücel dagegen im Juli 2020 zu 2 Jahren, 9 Monaten und 22 Tagen Gefängnis. Da war allerdings auch Yücel bereits seit mehr als zwei Jahren wieder in Deutschland. Im Moment sind immer noch mehrere Deutsch-TürkInnen in der Türkei in Haft, allerdings keine JournalistInnen mehr.

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