Freispruch für Intendant Thomas Pekny: Betroffene haben kein „Glück“
Ein Gericht hat einen Münchner Theaterdirektor vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs freigesprochen. Der Richter sprach von „Glück“.
Möglicherweise sei alles „so harmlos“ gewesen, wie Thomas Pekny die Vorfälle beschrieben habe. „Wenn nicht, dann haben Sie großes Glück gehabt“, sagte Richter Lantz am Mittwoch in seiner Urteilsbegründung zum Freispruch des Intendanten der Komödie im Bayerischen Hof in München. Dem 69-Jährigen wurden in mehreren Fällen Missbrauch und in einem Fall Vergewaltigung vorgeworfen.
Es ist problematisch, dass das Glück bei Vorwürfen sexualisierter Gewalt vor Gericht stets bei den mutmaßlichen Täter:innen und nicht bei den Betroffenen liegt. 2016 lag die Verurteilungsquote bei Vergewaltigung gerade mal bei acht Prozent.
Pekny soll auf dem Oktoberfest 2015 und 2016 drei betrunkene Frauen angesprochen, sie mit in die Proberäume seines Theaters genommen und dort Fotos und Videos von ihnen gemacht haben, während sie schliefen. Eine der Betroffenen war zu dem Zeitpunkt 20 Jahre alt und stark betrunken, ein rechtsmedzinisches Gutachten spricht von 2,8 bis 3,5 Promille. Die heute 25-Jährige sagt, sie habe „definitiv kein Einverständnis“ für jegliche sexuelle Handlungen gegeben.
Alle anderen Frauen konnten nicht polizeilich ermittelt werden, eine ehemalige Lebensgefährtin hatte die Fotos der schlafenden Frauen auf dem Handy von Pekny entdeckt und Anzeige erstattet. Laut Pekny sollen alle Handlungen, Foto- und Videoaufnahmen einvernehmlich stattgefunden haben.
Die Frage der Einvernehmlichkeit
Der hohen Betrunkenheitszustand der mutmaßlichen Betroffenen wertete das Gericht nicht als Indiz dafür, dass ein solcher Akt nicht einvernehmlich sein kann. Stattdessen beurteilten sie die Aussage der 25-Jährigen zwar als glaubwürdig, aber da sie Erinnerungslücken habe, könne das Gericht auch nicht ausschließen, dass es ein Einverständnis gegeben habe.
Ein Umstand, der häufig auftritt: Betroffene, die betrunken oder unter Drogen stehen, sind einer größeren Gefahr ausgesetzt und werden gleichzeitig als weniger glaubwürdig wahrgenommen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt hat. Pekny werde solange „selbstverständlich seine Ämter weiterführen“, teilte das Theater in München mit. „Das betrifft sowohl die Intendanz als auch die Geschäftsführung.“ Doch zwei weitere mutmaßlich Betroffene haben sich gemeldet, es wurde Anzeige erstattet. Vor dem Hintergrund der strukturellen Benachteiligung, die Betroffene sexualisierter Gewalt in Deutschland erfahren, kann man ihnen nur Glück wünschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten