Freispruch für Einwanderungsaktivist: Rückschlag für die US-Polizei
Die Ausländerpolizei ermittelt gegen den Aktivisten Ravi Ragbir – sie will ihn abschieben. Eine Richterin nannte die Verhaftung „unnötig grausam“.
„Diese Entscheidung stellt meinen Glauben an unsere Institutionen wieder her“, erklärte Amy Gottlieb, die Frau von Ravi Ragbir, wenig später strahlend. Auf der Straße, wo mehrere Dutzend Einwanderungsaktivisten während des Hearings sieben Mal betend um das New Yorker Hauptquartier von ICE gezogen waren, flossen Tränen der Erleichterung. Am Abend war der Einwanderungsaktivist frei.
Ragbir ist einer der bekanntesten Verteidiger der Rechte von Einwanderern in den USA. Er ist der Geschäftsführer der „New Sanctuary Coalition“ in New York, die papierlose Immigranten berät und ihnen notfalls Asyl in Kirchen und Synagogen verschafft, um sie vor einer Abschiebung zu schützen.
Am 11. Januar hatte Ragbir selbst seinen jährlichen Termin im Hochhaus der Ausländerpolizei. Anders als in den zehn vorausgegangenen Jahren, in denen dieser Termin eine Routine war, wurden ihm dieses Mal überraschend Handschellen angelegt. Der selbstbewusste, kräftige Mann, der Hunderte von Papierlosen begleitet und beraten hat und oft mit dem Megafon in der Hand öffentliche Reden hält, fiel in Ohnmacht.
Noch am selben Tag, während in New York Tausende Aktivisten und gewählte Politiker für seine Freilassung demonstrierten, wurde er in ein Gefängnis im mehr als 1.700 Kilometer entfernten Miami transportiert. Von dort aus sollte er direkt nach Trinidad und Tobago abgeschoben werden. Der 43-jährige Ragbir ist in dem karibischen Land geboren, lebt aber seit 27 Jahren in den USA. Dort gründete er eine Familie, wurde Vater und entwickelte sich in den letzten Jahren zu einer der führenden Stimmen der Bewegung, die ihm am Montag zu seiner Freilassung verholfen hat.
Eine Verschnaufpause, mehr nicht
Repressionen 173 Staaten weltweit behindern ihre Bevölkerung daran, ihre Grundrechte auf Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit frei ausleben zu können. Das geht aus dem "Atlas der Zivilgesellschaft" hervor, den die Organisationen Brot für die Welt und Civicus am Mittwoch vorstellen. Nur zwei Prozent der Weltbevölkerung leben dem Bericht zufolge in Staaten mit offener Zivilgesellschaft.
Opfer Betroffen ist eine Vielzahl von Menschen – etwa Umweltschützer, Menschenrechtsaktivisten oder Journalisten. Laut dem Atlas ist der Raum für zivilgesellschaftliches Handeln etwa in den USA "eingeengt", in Marokko gar "beschränkt".
Schon wenige Tage vor Ragbir war Jean Montrevil, ein anderer bekannter Aktivist der New Yorker Sanctuary Coalition, auf seinem Weg zur Arbeit von ICE-Agenten aufgegriffen und nach Haiti abgeschoben worden. Auch an anderen Orten der USA nimmt ICE zunehmend die Sprecher der Bewegung ins Visier.
Wie Ragbir hatte Montrevil die längste Zeit seines Lebens in den USA verbracht. Beide Männer waren ursprünglich legal in die USA gekommen. Dann waren sie straffällig geworden und zu Gefängnis verurteilt worden – Montrevil wegen Drogen, Ragbir wegen Betrugs. Beide saßen ihre Strafen ab. Nach ihrer Entlassung entzog ihnen die ICE ihre langfristigen Aufenthaltsgenehmigungen drohte langfristig mit Abschiebung. Doch beide Männer „integrierten sich in die Gesellschaft“, gründeten Familien, begannen legale Karrieren und befolgten sämtliche Auflagen der Ausländerbehörde, darunter die regelmäßigen ICE-Termine. Beide konnten hoffen, dass sie eines Tages wieder einen komplett legalen Status bekommen würden.
Dann kam Trumps Amtsantritt. Und mit ihm eine neue Wucht in der Verfolgung von „Illegalen“. Schon bei seinem ersten ICE-Routinetermin unter Trump spürte Ragbir, dass sich seine Situation ohne sein eigenes Zutun verschärft hatte. Der für ihn zuständige ICE-Beamte ließ ihn wissen, dass er ihn beobachte, wie er Demonstrationen für Immigranten organisiere, und dass das bald aufhören werde.
Richterin Forrest verschafft Ragbir eine Verschnaufpause. Mehr nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich