piwik no script img

Freigelassene palästinensische HäftlingeRamallah feiert, Netanjahu ist erbost

Kurz vor dem Nahost-Besuch von US-Außenminister Kerry sind 26 weitere Gefangene freigekommen. Derweil wird weiter um den künftigen Status des Jordantals gestritten.

Jubelempfang für einen palästinensischen Ex-Häftling in Ramallah am Dienstagmorgen. Bild: reuters

JERUSALEM/RAMALLAH dpa | Vor einem neuen Vermittlungsbesuch des US-Außenministers John Kerry im Nahen Osten hat Israel weitere 26 palästinensische Langzeithäftlinge in die Freiheit entlassen. 18 von ihnen wurden in der Nacht zum Dienstag bei der Ankunft in Ramallah begeistert gefeiert. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bezeichnete sie bei einer persönlichen Begrüßung als „Helden“ und kündigte die Freilassung weiterer Häftlinge an. Nach der Entlassung aller 104 Langzeithäftlinge im März würden auch andere, kranke Gefangene freikommen, sagte er.

Drei der freigelassenen Palästinenser wurden in der Nacht in den Gazastreifen, fünf nach Ost-Jerusalem gebracht. „Wir versprechen, dass es ohne Freilassung aller Häftlinge kein endgültiges Friedensabkommen (mit Israel) geben wird“, sagte Abbas. Die Zahl der Häftlinge beläuft sich derzeit auf knapp 5000.

Israel hatte sich mit der Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Palästinensern im Juli zur Freilassung von insgesamt 104 Langzeithäftlingen verpflichtet, von denen die Hälfte bereits im August und Oktober freikam. Die meisten von ihnen waren vor Beginn des Friedensprozesses im Jahre 1993 wegen Mordes verurteilt worden.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisierte den Heldenempfang für die freigelassenen Häftlinge scharf. „Mörder sind keine Helden“, sagte er am Dienstag. „So erzieht man Kinder nicht zum Frieden.“ Aus Protest gegen die Entlassungen demonstrierten am Montagabend in Jerusalem Hunderte Angehörige von Terroropfern.

Adnan Afandi, der von seiner 30-jährigen Haftstrafe 21 Jahre abgesessen hat, sagte nach seiner Freilassung: „Es fühlt sich an, wie aus dem Sarg zu steigen und ins Leben zurückzukehren.“ Er hatte 1992 in Jerusalem zwei jüdische Jugendliche mit einem Messer verletzt und war danach von einer Israelin vor einem wütenden Lynchmob gerettet worden.

Demonstrative Sitzung im Jordantal

US-Außenminister Kerry wird am Donnerstag zu seinem zehnten Vermittlungsbesuch binnen eines Jahres in der Region erwartet. Er will Netanjahu und Abbas ein Rahmenabkommen zur Lösung des Nahost-Konflikts vorlegen. Die Palästinenser hatten einen US-Sicherheitsplan für das Jordantal nach Medienberichten als einseitig kritisiert.

Abbas betonte, das Jordantal müsse unter palästinensischer Kontrolle stehen. „Jeder muss wissen, dass dies eine rote Linie ist, die nicht überschritten werden darf.“ Das palästinensische Kabinett versammelte sich am Dienstag demonstrativ zu einer Sondersitzung in einem Dorf im Jordantal. Ein israelischer Ministerausschuss hatte am Sonntag die Annektierung des Jordantals beschlossen. Die Initiative gilt jedoch als aussichtslos.

Die palästinensische Zeitung Al-Quds berichtete, ein US-Verhandlungsteam bemühe sich vor Kerrys Besuch intensiv um eine Einigung beider Seiten. Israel habe einen Verbleib seiner Armee an der Ostgrenze eines künftigen Palästinenserstaates für mindestens zehn Jahre gefordert, die Palästinenser verlangten einen Abzug aller israelischen Truppen binnen drei Jahren. Das US-Team habe vorgeschlagen, Israels Truppen sollten sechs Jahre lang im Jordantal verbleiben und dann für weitere vier Jahre von US-Truppen ersetzt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Im Jordantal gibt es fast gar keine arabischen Siedlungen, die Gegend ist menschenleer. Abbas wird wohl schnell mal eine aus dem Boden gestampft haben, um seinen Herrschaftsanspruch für das Jordantal unter Beweis zu stellen.

     

    Nein, im Ernst – das beste für den Frieden wäre, ein Rückkehrprogramm nach Jordanien für die in Judäa und Samaria siedelnden Pal-Araber aufzulegen, vielleicht mit finanziellen Anreizen. König Hussein sagte 1981: “The truth is that Jordan is Palestine and Palestine is Jordan.” Jordanien ist ihre Heimat, die ihrerseits von einem geschickt operierenden Exilantenclan der arabischen Halbinsel von etwa 500 Leuten (Hashemiten genannt) regiert wird.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Haschimiten#Erste_H.C3.A4lfte_des_20._Jahrhunderts

     

    Etwa die Hälfte der jetzigen Jordanier sind Pal-Araber, und König Abdullah hatte 1948 kein Problem damit, allen damaligen „West Bank“-Bewohnern die jordanische Staatsbürgerschaft zu verleihen.

    Also dann: Give peace a chance und lasst sie ausreisen nach Jordanien. Ein Drittel wollen gemäß einer Studie der Birzeit-Universität von 2007 sowieso weg.

    • @Senckbley:

      wiki mal wieder!

      in der mir vorliegenden chronik des kibuz Gescher und Ashdod Ya'akov gabs die arabischen siedlungen schon vor der kibuzgründung in den 20-gern. von beduinendörfern nicht zu reden.

      seit '67 hat man einiges dafür getan, dass sie verschwinden. und tut es immer noch.

       

      rückkehrprogramm? das nennt sich im klartext ethnische säuberung.

       

      im übrigen ist es das gute recht eines palästinensischen staates in der west-bank, nicht von feindlichem militär umzingelt zu sein, also nicht zu 'Aza 2.0 gemacht zu werden.

      • @christine rölke-sommer:

        Ähem – Gaza hat sich selbst zu dem gemacht, was es ist. Durch selbstgewählte Tyrannei, Gewaltverherrlichung und Tugendterror. Nach '67 war das zunächst ein prosperierender Ort.

        • @Senckbley:

          wäre jetzt nicht grad das Jordan-tal das thema, könnte es lohnen, sich mal etwas näher mit der geschichte von 'Aza zu beschäftigen.

          so aber kann man sich nur verwundert fragen, wieso es so heftig beschwiegen wird.