Freie Universität ehrt Snowden: Ehrenvolles Zähneknirschen
Die Freie Universität verleiht Edward Snowden die Ehrenmitgliedschaft. Damit hat ein Antrag der Studierenden Erfolg - überraschenderweise.
Auf sein Informatikstudium im US-amerikanischen Maryland hatte Edward Snowden 2005 keine Lust mehr. Jetzt wird ausgerechnet der Studienabbrecher für seine Verdienste um die Wissenschaft geehrt: Am Mittwoch beschloss der Akademische Senat der Freien Universität Berlin (FU) auf Antrag der StudierendenvertreterInnen, Edward Snowden zum Ehrenmitglied der Universität zu machen. Mit der Auszeichnung sind freilich keine Privilegien – oder auch Pflichten – verbunden.
Die VertreterInnen der Studierenden verwiesen in ihrem Antrag darauf, dass das Handeln des Whistleblowers „in höchstem Maße“ mit den FU-Grundsätzen „veritas, iustitia, libertas“ – Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit – übereinstimme. Außerdem sei die FU historisch mit den USA eng verbunden. 1948 war jene als Gegenmodell zur sowjetisch beeinflussten Humboldt-Universität gegründet worden.
Der Antrag zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft war umstritten, entsprechend knapp entsprach der Akademische Senat dem studentischen Antrag: Elf Abgeordente votieren in der nicht-öffentlichen Abstimmung dafür, zehn Stimmen dagegen. Zwar ist über das genaue Abstimmungsverhalten nichts bekannt, doch das Präsidium der FU wird Snowden nur sehr widerwillig ehren. Eine Pressemitteilung über ihr neues Ehrenmitglied hat die Universität bisher nicht herausgegeben. Der Sprecher des Präsidenten teilte auf Anfrage lediglich nüchtern mit: „Professor Peter-André Alt respektiert grundsätzlich die Mehrheitsentscheidungen dieses Gremiums.“ Zwischen den Zeilen: Zähneknirschen. Die FU setzt derzeit ein Schreiben nach Moskau auf, in dem Snowden über seine Ehrung informiert wird. Liebesgrüße sind es nicht.
Der erfolgreiche Antrag der Studierenden im Akademischen Senat, dem mächtigsten Gremium der Uni, ist auch kein Zeichen für einen neuerlichen Kuschelkurs der Hochschule gegenüber den Studierenden. „Es hat kein politischer Klimawandel stattgefunden“, sagt Studierendenvertreter Mathias Bartelt. Vielmehr stünden sie mit ihren Belangen weiter alleine da. Die Zustimmung einiger ProfessorInnen im Fall Snowden: „Eine Ausnahme.“
Ein Beleg dafür: Noch in derselben Sitzung des Akademischen Senats verhallte die Kritik der Studierenden an Uni-Assist. Der Verein bearbeitet die Studienbewerbungen für einige Universitäten. Die Studierenden halten dessen Gebührensystem für rassistisch, der Präsident hingegen bezeichnete die Zusammenarbeit als „alternativlos“. Und: Im Gegensatz zur Verleihung einer Ehrenmitgliedschaft würde ein Einlenken der Universität in diesem Fall wohl Kosten verursachen. Matthias Bolsinger
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator