Frauentag im Abgeordnetenhaus: Kampftag mit Überraschungen
Bei der Frauenpolitik gibt es in der Plenardebatte viel Einigkeit. Unerwartet taucht der Streit um die Vornamensabfrage der CDU von 2023 wieder auf.
Was die Rederunde so plätschern lässt, ist die weitgehende Einigkeit, die dabei herrscht: Es gibt zu viel und ungeahndete Gewalt gegen Frauen, Frauen verdienen zu wenig und sind in Parlamenten unterrepräsentiert. Allein die AfD-Fraktion versucht, das Thema mit Migration und kulturellen Unterschieden zu verknüpfen.
Worüber es Differenzen gibt: Die Grünen loben zwar einen Landesaktionsplan, vergleichen ihn aber mangels Umsetzung mit einem „Löschfahrzeug ohne Wasser, das vor einem brennenden Haus steht“. Was die SPD wiederum so nicht stehen lassen mag: Es gebe zwar noch einiges zu tun, „aber von Stillstand und Abwarten kann hier keine Rede sein.“
Was dabei auch klar wird, ist, dass es mit dem sogenannten Paritätsgesetz, das für mehr Frauen im Abgeordnetenhaus sorgen soll, so schnell nichts werden wird. Ja, natürlich stehe ein Prüfauftrag dazu in den Richtlinien der Regierungspolitik des schwarz-roten Senats, ist von Cansel Kiziltepe (SPD) als Senatorin für Gleichstellung zu hören. Und sie verspricht: „Wir werden das im Senat auch besprechen.“ Bloß wann Ergebnisse vorliegen sollen, vermag sie auch auf spätere Nachfragen der Opposition nicht zu sagen. Noch nicht mal ein Zeitplan soll vorliegen.
Wie zur Entschuldigung verweist Kiziltepe darauf, dass das Thema komplex ist – 2020 scheiterte in Brandenburg ein solches Gesetz am Verfassungsgericht – und die Innenverwaltung zuständig sei. Dabei müsste Letzteres die Sache eher beschleunigen: Innensenatorin ist nämlich die Frau, wegen der am kommenden Tag frei ist: Iris Spranger hatte 2018 als SPD-Vizechefin in der Debatte um einen weiteren gesetzlichen Feiertag in Berlin vorgeschlagen, den auf den Internationalen Frauentag zu legen. In Gespräch waren unter anderem auch der 8. Mai oder den 17. Juni.
Kein klares „Ja“ zum 29-Euro-Ticket
Richtig Fahrt nimmt die Sitzung erst in der anschließenden Fragestunde auf. Da geben gleich zwei Senatsmitglieder auf zentrale politische Fragen keine klare Antwort. Von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) ist kein „Ja“ zu hören, als die Grünen danach fragen, ob das 29-Euro-Ticket auf jeden Fall und trotz Spardrucks im Landeshaushalt kommt. „An irgendeiner Stelle werde ich Einsparungen machen müssen“, sagt Schreiner stattdessen. Aber sie werde sich „bemühen“, sämtliche Richtlinien der Regierungspolitik – zu denen das 29-Euro-Ticket auf Druck der SPD gehört – zu berücksichtigen. Ob bloßes Bemühen dem Koalitionspartner reicht, bleibt an diesem Vormittag offen.
Noch interessanter wird es, als wiederum die Grünen ein taz-Interview mit Senatorin Kiziltepe vom vergangenen September zitieren. Darin spricht die SPD-Politikerin von einer „rassistischen Namenskampagne“ der CDU und sagt dann: „Kai Wegner hat sich dann ja auch entschuldigt für sein Verhalten.“ Die Grünen wollen wissen: Wann, wo und wie sei das geschehen?
Die CDU-Fraktion hatte Anfang Januar 2023 nach den Silvesterkrawallen im Innenausschuss auf einer Liste mit 47 Fragen auch wissen wollen: „Wie lauten die Vornamen der Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit?“ Vorsitzender der CDU-Fraktion war damals der heutige Regierende Bürgermeister Kai Wegner.
Der antwortet auf die Frage der Grünen so: „Wer sich wann und wo entschuldigt hat und ob überhaupt, ist eine Sache, die ich nicht beantworten kann.“ Und führt dann aus, die meisten Berliner mit Migrationshintergrund hätten bei der letzten Wahl die CDU gewählt – und deshalb gebe es keinen Grund für Entschuldigungen.
Wiederbelebte Namensdebatte
Weil in der Fragestunde nur jeweils zwei Nachfragen möglich sind, bleiben Wegners Worte im Plenarsaal offiziell erst mal unkommentiert. Unter der Hand aber heißt es sofort von den Grünen, dass die Senatorin in dem Interview dann wohl gelogen habe, weil es offenbar gar keine Entschuldigung gab. Was alles darauf hindeutet, dass nicht allein der Frauentag und die Debatte um mehr Teilhabe diese Sitzung überdauern werden.
Die Namensdebatte könnte dabei auch im SPD-internen Machtkampf um den Landesvorsitz eine Rolle spielen: Im Streit über eine Koalition mit der CDU war sie 2023 ein wichtiges Argument der Gegner, das mit der angeblichen Entschuldigung einigermaßen ausgeräumt schien. Dass es die nun möglicherweise gar nicht gab, dürften schnell die Vorsitzbewerber nutzen, die auf mehr Distanz zur CDU setzen.
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