Frauenanteil in Berlins Landespolitik: Wanted: Kulturwandel
Seit der Wahl im Februar sitzen mehr Frauen im Abgeordnetenhaus. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt, was zu wirklicher Parität noch fehlt.
Berlin taz | „Frauen machen Berlin, Frauen machen Politik und Frauen sorgen für Gerechtigkeit“, sagt Cansel Kiziltepe (SPD), Senatorin für Arbeit und Soziales im Vorwort der Studie „Frauen Macht Berlin“. Nach der Wiederholungswahl hat die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung am Dienstag eine Analyse zur politischen Partizipation von Frauen in den Bezirksparlamenten, dem Abgeordnetenhaus und dem Senat vorgelegt.
Zentrale Botschaft der Studie: Das neue politische Kräfteverhältnis mit der CDU als größter Fraktion führt zu mehr Frauen im Parlament. Demnach hat sich der Frauenanteil im Abgeordnetenhaus um 3,6 Prozentpunkte auf 39 Prozent erhöht. Im Ranking der Länderparlamente rückt Berlin damit auf den dritten Platz hinter Hamburg und Bremen.
Einerseits, so die Studie, hätten CDU-Kandidatinnen im Februar überraschend mehrere Wahlkreise gewonnen, die als nicht aussichtsreich galten. So zogen bei der CDU zwölf statt drei Frauen als Direktkandidatinnen ins Abgeordnetenhaus ein. Die SPD verlor zwar insgesamt zwei Parlamentssitze, die Zahl der Frauen in ihrer Fraktion erhöhte sich gegenüber der Wahl 2021 aber um zwei.
Auch in den Führungspositionen im Senat ist der Frauenanteil seit der Wiederholungswahl gestiegen. Zwar hat Berlin mit Kai Wegner (CDU) wieder einen Regierenden Bürgermeister und keine Bürgermeisterin. Neben ihm sitzen aber sieben Frauen und nur drei Männer im Senat.
Benachteiligung vor der Wahl
Auch auf Bezirksebene ist es weiblicher geworden. In sieben der zwölf Bezirke steht seit der Wahl eine Frau an der Spitze. Zu den schon weiblich geführten Rathäusern in Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf kamen Mitte, Marzahn-Hellersdorf, Pankow und Reinickendorf.
Und trotzdem: „Nach wie vor werden Frauen bereits vor der Wahl im Nominierungsprozess und bei der Aufstellung in den Wahlkreisen benachteiligt“, sagt Nora Langenbacher von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Demnach würden Männer auf den Landeslisten der Parteien besser platziert. Die wichtigsten Stellschrauben zur Schaffung von Parität sind laut Langenbacher, das Wahlrecht und die Nominierungspraxis der Parteien umzugestalten.
Der Blick auf die jüngsten Zahlen, aber auch die längerfristige Entwicklung zeigen, dass Fortschritt nicht automatisch kommt. Im Gegenteil: „Es braucht verbindliche Regelungen, denn ohne sie scheint es nicht zu klappen“, sagt Langenbacher. Und weiter: „Weder Zeit noch Freiwilligkeit zeigen Wirkung“. Unverbindliche Maßnahmen wie das bisherige 30-Prozent-Quorum der CDU oder das Fehlen von Regelungen wie bei FDP und AfD würden die Chancen von Frauen, aufgestellt zu werden und ins Parlament zu ziehen, mindern.
Es braucht einen Kulturwandel
Dahingegen hätten sich quotierte Listen als wirksames Instrument für einen höheren Frauenanteil bewährt, lautet ein Fazit von Langenbacher und ihren Co-Autorinnen. Die verbindlichen internen Regelungen bei SPD und Linken zu paritätischen Listen sowie die Mindestquotierung von 50 Prozent bei Bündnis 90/Die Grünen würden ihre Wirkung zeigen.
Kaum verwunderlich ist, dass von den Autor*innen der Studie Rückenwind für das Vorhaben der Regierung ausgeht, ein Paritätsgesetz für das Land Berlin einzuführen. „Wenn das Wahlrecht im Ergebnis die Parität von Frauen und Männern in den Parlamenten sicherstellt, wird der Zugang zu politischer Teilhabe endlich auch für Frauen einfacher“, sagt Langenbacher.
Unabhängig von einem Paritätsgesetz oder internen Regelungen drängen die Autorinnen auf einen ernstgemeinten Kulturwandel bei den Parteien. „Zu oft sind es nach wie vor männerdominierte Parteikulturen, die Frauen ausgrenzen oder abschrecken“, sagt Langenbacher. Nötig seien Schritte der Parteien wie beispielsweise familienfreundlichere Sitzungszeiten, gegenderte Redelisten und Mentoring-Programme, um Frauen zu fördern.