Frauenstreik in der Schweiz: Es fehle an Respekt, Zeit und Geld
Mehr als 300.000 Schweizerinnen protestierten gegen ihre eigene Benachteiligung. Die Anerkennung der Frauenrechte war ein langwieriger Prozess.
GENF AFP | Unter dem Motto „Respekt, Zeit, Geld“ haben sich in der Schweiz am Mittwoch zehntausende Frauen an einem feministischen Streik beteiligt. Nach Angaben des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) gingen landesweit mehr als 300.000 Frauen auf die Straße. Sie demonstrierten vor allem für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit, aber auch gegen Diskriminierung, Belästigung und sexuelle Gewalt.
In Zürich blockierten rund 300 Demonstrantinnen die Straßenbahn, wie die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA meldete. In Lausanne wurde die Kathedrale violett angestrahlt. In Städten wie Lausanne, Genf und Bern demonstrierten zehntausende Frauen aller Altersgruppen, viele von ihnen in Rosa oder Lila gekleidet. Auch in kleinen Städten gingen Frauen auf die Straße. Vielerorts gab es lautstarke Kochtopfkonzerte, Versammlungen und Picknicks.
Der erste Frauenstreik war im Jahr 1991 begangen worden. Eine halbe Million Frauen legte damals ihre Arbeit nieder und schloss sich den Protesten an. Zehn Jahre zuvor war die Gleichstellung der Geschlechter in der Schweizer Verfassung verankert worden. Erst 2019 wurde ein zweiter Anlauf für einen neuen Protesttag von Frauen gestartet.
Die Anerkennung der Frauenrechte war ein langwieriger Prozess in der Schweiz. 1971 räumte sie als eines der letzten Länder in Europa Frauen das Wahlrecht ein. In den vergangenen drei Jahrzehnten konnten Frauenrechtlerinnen aber einige Fortschritte erzielen.
2002 wurden Abtreibungen legalisiert, 2005 wurden 14 Wochen bezahlter Mutterschaftsurlaub eingeführt. Seit 2021 gibt es einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Doch der eingeschränkte Zugang zu den teuren Kindertagesstätten gilt als Haupthindernis für die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt.
Leser*innenkommentare
Sven Günther
"Doch der eingeschränkte Zugang zu den teuren Kindertagesstätten gilt als Haupthindernis für die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt."
Mich ärgern solche pauschalen Aussagen bei schweizer Themen ehrlich gesagt immer. Wie bei so viele Themen ist auch hier der schweizer Föderalismus am Werk, daher ist das Wohnkanton bzw. die Wohngemeinde dafür zuständig und die regionalen Unterschiede sind teilweise eklatante, weil manche Kantone/Gemeinden Kinderbetreuung subventionieren und andere Kantone nicht.
Aus der Studie der Credit Suisse zu Kinderbetreuungskosten in der Schweiz.
"Wenn das Paar ein Bruttoerwerbseinkommen von CHF 110'000 erzielt – was bei einem gemeinsamen Arbeitspensum von 140 % in etwa dem Schweizer Median-Bruttolohn entspricht – und über ein Vermögen von CHF 100'000 verfügt, dann bezahlt die Beispielfamilie mit rund CHF 4'700 in Wollerau (SZ) oder Mendrisio (TI) die tiefste Jahresrechnung. Zum Vergleich: In Wetzikon (ZH) bezahlt derselbe Haushalt mit CHF 24'200 pro Jahr mehr als das Fünffache für die externe Kinderbetreuung. Im Median aller erhobenen Gemeinden betragen die jährlichen Betreuungskosten gut CHF 12'100."
www.credit-suisse....chatel-202105.html
Ganz grob, Kinderbetreuungskosten sind in Kantonen der Romandie und im Ticino wesentlich günstiger, wir reden hier nicht von einem schweizweiten Problem, wir reden hier von einem Problem in der Deutschschweiz.