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Frauenrennen von MailandSingende Siegerin in San Remo

Bei der historischen Neuauflage von Mailand-San Remo gewinnt die Niederländerin Lorena Wiebes. Das Rennen geht an die Sprinterinnen.

Das schöne Genua bildet den Hintergrund des Rennens Mailand-San Remo Foto: Marco Alpozzi/LaPresse/AP/dpa

Die Neuauflage des Frauenrennens von Mailand nach San Remo nach zwei Jahrzehnten Pause erlebte ein glorreiches Finale. Auf der Via Roma fasste sich Elisa Longo Borghini ein Herz und stürmte in den Farben der italienischen Landesmeisterin voran. Die Attacke war gut gesetzt.

Hinter ihr nahm allerdings die amtierende Weltmeisterin und große Favoritin Lotte Kopecky das Heft des Handelns in ihre Hand. 100 Meter vor dem Ziel war zur Enttäuschung der einheimischen Fans die Lokalmatadorin gestellt. Und Kopeckys Teamkollegin Lorena Wiebes sorgte im Trikot der Europameisterin für den Sieg. Gefährlich nahe kam noch Altmeisterin Marianne Vos auf. Der 37-jährigen Niederländerin blieb aber nur der zweite Platz.

Für alle Glorienschreiber ist das etwas schade. Denn Vos fuhr bereits Rennen, als es die Primavera Rosa noch gab. Das fungierte zwischen 1999 und 2005 als Frauenrennen von Mailand nach San Remo. Start war in Varazze an der ligurischen Küste, 116 Kilometer von San Remo entfernt. Und immerhin einen deutschen Sieg von Trixi Worrack im Jahr der letzten Austragung gab es zu feiern.

Danach war zwei Jahrzehnte Pause. Rennveranstalter RCS hatte recht kurzfristig im Januar 2006 die weitere Austragung abgesagt. Und während andere Veranstalter von Männerklassikern auch den weiblichen Radprofis Startmöglichkeiten gaben – die Flandernrundfahrt ab 2004, Lüttich–Bastogne–Lüttich ab 2017, schließlich ab 2020 Paris–Roubaix –, führte RCS lieber E-Bike-Varianten für den Giro d’Italia der Männer ein, anstatt Ressourcen für eine neuerliche Frauenausgabe des längsten Frühjahrsklassikers bereitzustellen.

Revival

Vos immerhin erlebte jetzt das Revival. „Es ist fantastisch, das Rennen jetzt auch in unserem Kalender zu haben“, meinte sie. Als historischen Moment bewertete gar Longo Borghini die Rückkehr des wichtigsten italienischen Eintagesrennens. Sie dachte dabei nicht nur an sich selbst.

„Für eine Fahrerin wie mich wird es sicher schwer, hier zu gewinnen. Zu viele Frauen mit den ganz schnellen Rädern werden gut über den Poggio kommen“, lautete ihre Prognose, die mit dem Ergebnis der Sprintspezialistinnen Wiebes und Vos auf den Plätzen 1 und 2 ja auch eintraf. „Es freut mich vor allem für die jungen Mädchen, die Radsportlerinnen werden wollen und jetzt Mailand–San Remo im Herzen tragen“, blickte sie auf die Jahrgänge nach ihr.

Stolz und enttäuscht

Die italienische Meisterin gab ihnen auch gleich ein gutes Beispiel. Obwohl das Profil des Rennens der exzellenten Kletterin nicht auf den Leib geschrieben ist, startete sie eben 3 Kilometer vor dem Ziel ihre Attacke. „100 Meter vor dem Ziel gestellt zu werden, ist dann sehr bitter. Ich habe aber meine Karten ausgespielt“, bilanzierte sie halb stolz, halb bitter enttäuscht. Kämpferisch kündigte sie an: „Das nächste Mal bekommen die mich nicht mehr.“

Vielleicht hören die Ausrichter dann auch auf Stimmen im Peloton. Einigen Klassefrauen war das Rennen vor allem am Poggio nicht hart und vor allem die Distanz nicht lang genug. Sie war mit 156 Kilometern (vom Startort Genua aus, sozusagen dem alternativen Mailand) zwar deutlich länger als das Vorgängerrennen. „Wir können aber sicher mehr als 200 Kilometer fahren. Die tolle Sache bei den Männern ist ja die Distanz. Die erst macht den Poggio hart für sie. Wir allerdings kamen alle ziemlich frisch dort an“, meinte die bergfeste Niederländerin Puck Pieterse, die beim Sprintfestival auf der Via Roma immerhin auf Platz 10 einkam.

Deutsche spielten keine Rolle

Anderseits können die kletterstarken Frauen aber auch die Taktik des slowenischen Überradlers Tadej Pogacar übernehmen. Dessen Team machte schon beim Anstieg davor, der Cipressa, derartigen Druck, dass sich ihr Kapitän mit nur zwei weiteren Fahrern im Rücken absetzen konnte. Dieses Trio machte dann den Sieg unter sich aus. Pogacar wurde Dritter im Sprint hinter Ex-Weltmeister Mathieu van der Poel und Bahnolympiasieger Filippo Ganna.

Deutsche Sportlerinnen und Sportler spielten beim Doppelevent für beide Geschlechter keine Rolle. Liane Lippert hatte Pech mit einem Kettenschaden im Finale und wurde 14. Maximilian Schachmann passierte bei den Männern im großen Verfolgerfeld auf dem 33. Rang die Ziellinie.

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