Frauenfußball kommt nicht voran: Traurige Kulisse

Zum Topspiel zwischen dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern kamen am Samstag 3.200 Zuschauer*innen. In England sind es bei Topspielen bis zu 40.000.

Die Wolfsburger Spielerin Dominique Bloodworth köpft den Ball.

Kopfball vor leeren Rängen: Dominique Bloodworth (links) im Spiel gegen die Bayern Foto: Foto2press/imago

WOLFSBURG taz | Zu Beginn sah es nach einer weiteren Machtdemonstration der Frauen des VfL Wolfsburg aus: Nationalspielerin Alexandra Popp nutzte im Spitzenspiel gegen den FC Bayern bereits in der 4. Minute einen Fehlpass der Gegnerinnen aus und traf zum 1:0. In der Folge kontrollierte Wolfsburg das Spiel und kam zu vielen klaren Chancen.

Für den Sieg gereicht hat das allerdings nicht, obwohl sich für die Münchnerinnen nur nach Fehlern der Wolfsburgerinnen Möglichkeiten ergaben. Eine nutzten sie: Nach einem Ballverlust des VfL in der eigenen Hälfte – zehn Minuten vor Schluss. Bei VfL-Torschützin Popp überwog nach dem 1:1 daher die Enttäuschung über den verpassten Sieg. „Wir hatten die Chancen dazu.“

Das Spiel in Wolfsburg sahen gut 3.200 Zuschauer*innen – doppelt so viele wie die gleiche Begegnung im DFB-Pokal-Achtelfinale in München am vorigen Wochenende. „Die Zuschauerkulisse ist traurig für eine derartige Begegnung“, hatte Kommentator Bernd Schmelzer damals gesagt. Es sei „gelinde gesagt schlimm“, ein Stadion mit einer Kapazität für 5.200 Menschen beim FC Bayern nicht vollzukriegen. „Weniger als ein Prozent der Bayern-Mitglieder müssten sich für den Frauenfußball interessieren. Da läuft was falsch“, konstatierte Schmelzer.

In diesem vorweggenommenen Pokalfinale trennten sich die Teams 1:3. Für die Attraktivität des Wettbewerbs ist zu hoffen, dass die ebenfalls im Pokal verbliebene TSG Hoffenheim, Tabellenzweiter der Liga, erst im Finale auf Tabellenführer Wolfsburg trifft.

England hat's besser

In England zeigt sich derzeit eine ganz andere Kulisse bei Frauenfußballspielen: Das London-Derby zwischen Tottenham und Arsenal wurde im neuen Stadion der Tottenham Hotspurs kürzlich vor fast 40.000 Zuschauer*innen ausgetragen – Ligarekord.

Dass die englische Liga eine rasante Entwicklung durchgemacht hat, weiß die schwedische WM-Rekordspielerin und heutige VfL-Torhüterin Hedvig Lindahl. Als sie 2015 zu Chelsea wechselte, habe ihr Team erstmals überhaupt tagsüber trainieren können. „Es herrschten keine guten Verhältnisse.“

Mit der Zeit seien die Trainingsbedingungen verbessert worden. Inzwischen leiste der Verein durch einen kompletten Trainerstab, einen Vollzeitarzt und Spielanalytiker sehr gute Betreuung. Auch in puncto Öffentlichkeitsarbeit legt Chelsea vor: „Zu Auswärtsfahrten kommen Fotografen mit, die Einträge auf deren Facebookseite sind beeindruckend“, sagte Lindahl. „In Wolfsburg bin ich aber auch sehr glücklich, die Bedingungen sind absolut vergleichbar.“ Sie wechselte im Sommer nach Niedersachsen.

Auch die englische Liga selbst trägt zur Verbesserung der Bedingungen bei. Lindahl erzählt, dass dort jede Spielerin ein Vollzeitgehalt erhalten müsse – sonst dürfe ein Verein gar nicht antreten. In Deutschland treffen dagegen zum Teil Profis auf Amateure. Nicht alle Spielerinnen können vom Fußball leben.

Dirk Zilles, Pressesprecher der VfL-Frauen, wünscht sich eine größere Wettbewerbsdichte in der deutschen Liga. „Es wäre schön, Woche um Woche auf hohem Niveau gefordert zu werden.“ Große Vereine müssten ihre Ressourcen dafür besser nutzen – „manche von ihnen wie Schalke, Hertha und Dortmund haben ja noch nicht mal eine Frauenfußball-Abteilung“, kritisierte Zilles. Eine bessere TV-Präsenz wäre wichtig für die Spielerinnen. Auch VfL-Geschäftsführer Tim Schumacher wünscht sich mehr Engagement von anderen Clubs, wie er in der Halbzeit des gewonnenen Pokalspiels dem NDR sagte. „Das Leistungsgefälle ist relativ groß.“

Bayern-Trainer Jens Scheuer glaubt nicht, „dass uns andere Ligen in Bezug auf die sportliche Leistungsdichte bisher überholt haben“. Misst man diese Dichte an der Tabellensituation – in Deutschland trennen die Plätze eins bis drei sechs Punkte, in England einer – scheint diese Aussage diskutierbar.

Bayern-Spielerin Verena Schweers erkennt auch einen Unterschied ihres Teams zum VfL. „Die sind weiterhin Topfavorit.“ Bei München als großem Verein liege der Fokus zuerst auf den Männern. In Wolfsburg dagegen wären die Männer damals – Schweers spielte bis 2016 beim VfL – noch nicht so gut gewesen, sodass das Augenmerk gleichermaßen auf die Frauen gelegt werden konnte. „Das Konzept ist voll aufgegangen.“ Schweers wünscht sich, dass der FC Bayern das Potenzial der Spielerinnen sieht und weiterentwickelt.

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