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Frauen in Not müssen weiter draußen bleiben

Der Sparhaushalt in Bremerhaven wurde beschlossen – Geld für die vorgesehene Erweiterung des Frauenhauses ist darin nicht enthalten. Dabei war die schon versprochen worden

In Bremer­haven mussten schon zahlreiche abgewiesen werden: eine Frau steht vor einem Frauenhaus Foto: Sophia Kembowski/dpa

Von Lotta Drügemöller

Der Platz im Frauenhaus Bremerhaven reicht hinten und vorne nicht. Allein im April und Mai diesen Jahres wurden 14 gewaltbetroffene Frauen, mit ihren Kindern insgesamt 36 Menschen, trotz akuter Bedrohung abgewiesen: Alle Betten waren belegt.

„Das ist unheimlich schwer, da abzusagen“, sagt eine Beraterin von der zuständigen „Gesellschaft für integrative soziale Beratung und Unterstützung“ (GISBU). Man versuche, die Frauen in umliegenden Frauenhäusern in Niedersachsen unterzubringen. Viele Frauen kämen auch eine Zeitlang bei Familie oder Freundinnen unter, erzählt die Beraterin. Aber das sei nicht optimal – der Kontakt verliere sich; was später aus ihnen würde, wisse man dann nicht. Notfalls würden auch Pensionen oder Hotels angemietet, ergänzt die Gesamtleiterin der GISBU, Gabriela von Glahn, im Telefonat.

Eigentlich soll alles besser werden: Seit zehn Jahren setzt sich die Zentralstelle für die Gleichstellung der Frau (ZGF) in Bremerhaven für eine Erweiterung des Frauenhauses ein. Vergangenes Jahr dann der Durchbruch – die Stadtverordnetenversammlung hat damals beschlossen, dass die Zahl der Betten im Frauenhaus von aktuell 17 auf zukünftig 30 Betten steigen soll. Die Koalition aus SPD, CDU und FDP hat dabei das Dezernat beauftragt, ein Finanzierungskonzept „im Rahmen der Haushaltsaufstellung“ vorzulegen.

Das war Februar 2024. Mittlerweile steht das Konzept im Detail, sogar ein passendes Gebäude zur Anmietung ist schon gefunden. Doch es fehlt: das Geld. An diesem Donnerstag wurde der Stadthaushalt für das laufende Jahr 2025 unter großen Anstrengungen beschlossen. 10.000 Euro für das Frauenhaus, die die Institution jedes Jahr von der Stadt bekommt, sind auch dieses Mal darin berücksichtigt. Aber von dem Ausbau ist im Haushaltsplan keine Spur zu sehen.

Dieser Haushalt, er ist wahrlich kein Vergnügen für die, die ihn erstellen und mit ihm gar noch die Zukunft der gebeutelten Stadt gestalten sollen. Die sich stetig verschuldende Stadt (den letzten Schuldenschnitt hat das Land Bremen 2020 vorgenommen) sollte im Rahmen der Haushaltskonsolidierung dieses Jahr 20 Millionen Euro einsparen – eine Auflage des Landes. Grund- und Gewerbesteuer wollte die Koalition aus SPD, CDU und FDP dafür nicht anheben, ansonsten aber hat man zusammengekratzt, was geht: Die Gebühren für Stadtbibliothek, das Parken und fürs Kita-Essen steigen, kein neues Personal darf eingestellt werden, und freiwillige Aufgaben der Stadt wurden gestrichen – vom Blumenbukets für Jubiläen (35.400 Euro) über einen Zuschuss ans Stadttheater (900.000 Euro) bis zur Inobhutnahme von Kindern (3,2 Millionen Euro) wird gespart, bis es knirscht.

Und dennoch fehlen der Stadt in der Aufstellung noch 50 Millionen Euro. Dazu kommt ein Defizit aus dem vergangenen Jahr von über 30 Millionen Euro, die im Laufe dieses Jahres irgendwo eingespart und nachgezahlt werden müssen. Das Land Bremen müsse noch einmal einspringen, so die Forderung der Koalition. Sie hat den Haushalt am Donnerstag beschlossen, obwohl das Budget so eigentlich nicht aufgeht.

Während der Haushaltsdebatte sprechen ein paar Oppositionspolitikerinnen die Leerstelle rund um das Frauenhaus an – doch es gibt genug anderes zu bemängeln, zu hinterfragen und zu erklären; Magistrat und Vertreter der Bremerhavener Deutschland-Koalition antworten auf andere Kritikpunkte – und auch so dauert die Debatte um den Haushalt viele Stunden.

Die CDU-Fraktion antwortet am Nachmittag schließlich als einzige auf eine entsprechende Anfrage der taz: Natürlich plane man weiterhin den Ausbau des Frauenhauses – schließlich gehe auch der beschlossene Antrag von Februar 2024 auf eine Initiative der Koalition zurück. „Wir wollen auf jeden Fall, dass es dem Frauenhaus gut geht“, so der sozialpolitische Sprecher der CDU, Fatih Önal.

Allerdings habe lange ein Konzept gefehlt, etwa um zu klären, wie sich die Betten auf die Frauen und deren Kinder in der Berechnung verteilen. Erst vor Kurzem wurde ein überarbeitetes Konzept von der GISBU eingereicht. „Ich selbst habe es erst gestern bekommen“, so Önal.

Allein im April und Mai diesen Jahres mussten 14 gewaltbetroffene Frauen abgewiesen werden: Alle Betten waren belegt

Zu spät für den Haushalt also. Allerdings ist die Erklärung nicht ganz schlüssig. Denn erstens hatte die Stadtverordnetenversammlung dem Träger für das Konzept eine Frist bis in den Juni gewährt – diese Frist wurde eingehalten. Und zweitens war das Geld auch ganz ohne Konzept schon einmal bewilligt worden: Im Haushalt 2024, der ironischerweise erst im Dezember 2024 verabschiedet wurde, hatte die Stadt noch 75.000 Euro für den Ausbau bereitgestellt. Abgerufen wurden diese Mittel im Dezember nicht mehr – übertragen auf das nächste Haushaltsjahr aber eben auch nicht.

„Wir werden versuchen, das in den nächsten Haushalt mit einzuplanen“, so Önal nun. 2026 also könnte es etwas werden. Dass der Eigentümer das anvisierte Gebäude bis dahin freihalten wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Zumal jetzt schon klar ist: Die Finanzlage der Stadt wird 2026 nicht besser. Denn im kommenden Jahr müssen laut Konsolidierungskurs weitere Millionen eingespart werden.

„Ich glaube schon an den guten Willen der Politiker*innen“, so Kathrin Stern, Leiterin der Bremerhavener Gleichstellungszentrale ZGF. „Aber ich habe Angst, dass mit diesen großen Herausforderungen die Prioritäten nicht richtig gesetzt werden. Es geht um so viele Famillien, die den Platz dringend brauchen.“

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