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Frauen im LangstreckenlaufErste Weltrekordlerin im Marathon

Von Fans angefeuert, von Medien angefeindet, brauchte Violet Piercy 1926 nicht mal vier Stunden für ihren Lauf.

Schnell wie ein Greyhound: Violet Piercy trainiert 1937 in London Foto: United Archives International/imago images

D arüber, was für Frauen viel zu anstrengend und damit zu gefährlich ist, hatten diejenigen, die die Regeln machten, immer klare Vorstellungen. Zehn und mehr Kinder zu bekommen und im Haushalt Schwerstarbeit zu leisten, ging genauso in Ordnung, wie in Fabriken zu schuften – zum Spaß Sport zu treiben dagegen nicht. Als ganz besonders gefährlich für Frauen galten Langstreckenläufe. Noch im Jahr 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau waren die 1.500 Meter das Maximum des Erlaubten.

Landläufig gilt die Amerikanerin Kathrine Switzer als Marathonpionierin. Sie war 1967 illegal beim Boston Marathon gestartet. Als die Funktionäre merkten, dass da eine Frau auf der Strecke war, versuchten sie, Switzer zu stoppen. Das aber wussten deren mitlaufende Vereinskameraden zu verhindern, indem sie sich als Block um sie herum formierten. Die Erste, die den Boston Marathon zu Ende lief, war sie trotzdem nicht. Das hatte 1966 bereits Riberta Gibb geschafft, die sich am Start versteckt und dann ins Läuferfeld geschmuggelt hatte. Mit einem ähnlichen Konzept war 70 Jahre zuvor einer Griechin namens Melpo­mene die Teilnahme am Marathon-Wettbewerb bei den Olympischen Spielen gelungen. Sie kam rund anderthalb Stunden nach dem Sieger ins Ziel.

Die erste anerkannte Marathonläuferin der Welt war allerdings eine Londonerin namens Violet Piercy. Es war die Schwimmolympiasiegerin von 1924 und später als Kanalschwimmerin berühmt gewordene US-Sportlerin Gertrude Ederle, welche Piercy zum Laufen motiviert hat. Diese wurde am 25. Dezember 1889 in Croydon geboren und war zu diesem Zeitpunkt bereits Halbwaise, weil ihr Vater, dessen Beruf mit Hauseigentümer angegeben wird, bereits verstorben war. Viel ist über Piercys Leben vor dem 3. Oktober 1926 nicht bekannt. An diesem Tag startete sie zu ihrem ersten offiziellen Marathonlauf, der eigentlich ein inoffizieller war, denn sie durfte nicht zusammen mit den männlichen Teilnehmern laufen.

Piercy lief dem Feld voran, gefolgt von drei Zeitungsreportern in einem Auto, auf dem eine Kamera montiert war. Nach 3 Stunden, 40 Minuten und 22 Sekunden kam sie ins Ziel, die Zeit wurde später vom Internationalen Leichtathletikverband als Weltrekord anerkannt, der 37 Jahre bestand.

Marathon als Vorbereitung auf die Mutterschaft

Während das Publikum sie angefeuert hatte, war die Presse nicht gerade begeistert. Die Westminster Gazette kommentierte: „Es muss gehofft werden, dass kein weiteres Mädchen so töricht ist, sie zu imitieren“ – Piercy war damals schon lange kein Girl mehr, sondern bereits 36 Jahre alt. Und die All Sports Weekly forderte, der Marathonlauf müsse eine männliche Angelegenheit bleiben.

Violet Piercy beeindruckte das vermutlich nicht allzu sehr. Im Radioprogramm der BBC erklärte sie vielmehr, die Sportart zeichne sich durch Rhythmik, gesunde Lebensführung und Bewegungskoordination aus, was Frauen sehr gut auf die Mutterschaft vorbereite.

Ob sie das wirklich so meinte oder einfach nur das sagte, was Marathonläufe als für Frauen möglichst unbedenklich erscheinen ließ, ist nicht bekannt. Und letztlich ist es auch egal, denn in dieser Serie geht es um Sportpionierinnen und nicht um Meisterinnentitel im Progressive-Ansichten-Haben. Obwohl Vio­let Piercy solche vielleicht auch hatte. 1936 sagte sie, dass sie zeigen wolle, „dass Frauen diese Strecke mühelos genauso gut wie Männer bewältigen können“.

Über das weitere Leben Pier­cys ist nicht viel bekannt. Sie heiratete nie, und bis 1958 wohnte sie wohl in Battersea and Bandsworth und arbeitete dort als Arzthelferin. Das Beschäftigungsverhältnis endete allerdings mit einem Gerichtsverfahren, dessen Ausgang unklar ist.

1972 starb Vio­let Piercy in einem Londoner Krankenhaus. Als Todesursachen wurden Gehirnblutung, eine chronische Nierenentzündung und Bluthochdruck angegeben. Auf dem Totenschein wurde ihr Nachname falsch geschrieben, erst viele Jahre später konnte ihre Identität zweifelsfrei geklärt werden.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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2 Kommentare

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  • Und das Ganze ohne high-tech Klamotten in schreienden Farben.

  • Kleine Ergänzung.

    Es war der Landarzt Dr. Ernst van Aaken aus Waldniel.



    Der in den 50ern mit seinen Untersuchungen nicht nur mal eben - das Intervall-Training in die Tonne kloppte! Etwas verkürzt - Du kannst nur den Aerobenbereich - nicht aber den Anaeroben-Bereich trainieren (Stichwort - Sauerstoff-Schuld).



    Sondern auch - daß die Frauen aufgrund der physiologischen Gegebenheiten.



    Auf der Langstrecke - dem Marathonlauf am meisten zu den Männern aufschließen würden.

    unterm——



    Der Dr. Ernst-van-Aken-Gedächtnis-Lauf in Waldniel erinnert an ihn.



    de.wikipedia.org/wiki/Ernst_van_Aaken



    &



    (btw kann mich noch gut erinnern - wie Legende Karl 'Arsch‘ Adam davon erst nichts wissen wollte. Als aber die Schwyz & die DDR via Langstreckentraining alles abkochten.



    Kriegte doch noch die Kurve;)