Frauen auf dem Arbeitsmarkt: Führungsfrauen müssen sich beeilen
Eine aktuelle Untersuchung zeigt: Frauen machen früher Karriere als Männer, dafür aber seltener. Je älter sie werden, desto schlechter die Chancen.
Frauen, die Karriere machen wollen, müssen sich beeilen: Im Schnitt erreichen Frauen etwa eineinhalb Jahre früher als ihre männlichen Kollegen eine Führungsposition und sind auch tendenziell jünger. Aber: Je älter sie werden, desto geringer ist ihre Chance auf beruflichen Aufstieg.
Das legt eine zum Frauentag publizierte Untersuchung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Zusammenarbeit mit dem Online-Netzwerk LinkedIn offen. Basierend auf den NutzerInnendaten von LinkedIn wurden tausende Karrierewege ausgewertet von Frauen und Männern in Deutschland, den USA, Indien, Italien und Norwegen. In all diesen Ländern ist der Anteil weiblicher Führungskräfte deutlich geringer als der Anteil der männlichen Kollegen.
In Deutschland brauchen Frauen durchschnittlich 7,7 Jahre um eine Führungsposition zu erreichen, wohingegen Männer 9,0 Jahre brauchen. Als Grund für das verkürzte Zeitfenster beim beruflichen Aufstieg vermuten die Initiatoren der Studie die Familiengründung. Die Zeit der Mittzwanziger bis Mittdreißiger sei sowohl für die Entwicklung des beruflichen Werdegangs als auch in der Familienplanung eine entscheidende Zeit.
Dieses Zusammenfallen von Kindern und Karriere entpuppt sich für Frauen wiederum als Hindernis. Für jede Frau in Deutschland, die in den ersten zehn Jahren ihrer Karriere eine Führungsposition erreicht hat, zählt die Studie durchschnittlich 3,1 Männer, im zweiten Jahrzehnt sind es bereits 3,8 und ab dem dritten Jahrzehnt 4,2 Männer.
„Unser Report zeigt erschreckend deutlich, wie schwer es für Frauen ist, sich am Arbeitsmarkt durchzusetzen und in Führungspositionen aufzusteigen – nicht nur in Deutschland, sondern überall“, sagt Kristin Keveloh, Managerin bei LinkedIn. „Dass Frauen schneller in Führungspositionen aufsteigen, ist nur ein kleiner Lichtblick in einer weiterhin schlechten Grundsituation, die zeigt, dass wir von Chancengleichheit noch weit entfernt sind.“
Nur noch 209 Jahre bis zur Gleichberechtigung
Die Untersuchung macht auch auf weitere „Gender Gaps“ aufmerksam.Demnach ist jede vierte Frau, die in Deutschland Vollzeit arbeitet, im Niedriglohnsektor tätig. Dem stehen 5 Prozent der Männer (also jeder 20. Mann) entgegen, die zwar Vollzeit arbeiten, aber niedrig entlohnt werden.
Der Bericht schaute sich auch Faktoren wie die unbezahlte „Care-Arbeit“ an. Darunter fällt etwa die Betreuung von Kindern, die Pflege von Eltern oder die Hausarbeit. Frauen übernehmen demnach durchschnittlich viereinhalb Stunden täglich Aufgaben in diesem Bereich, während Männer nur eineinhalb Stunden ihres Tages dafür aufwenden.
International sind mehr als ein Fünftel aller Frauen Vollzeit in diesem Bereich tätig, bleiben also ganztägig zu Hause. Dem stehen lediglich 1,5 Prozent aller Männer gegenüber.
Zwischen 1997 und 2012 sei die Zeit, so die Untersuchung, die Frauen mit Care-Arbeit verbringen, um 15 Minuten am Tag gesunken, während der Aufwand bei den Männern um 8 Minuten gestiegen sei. Der Studie zufolge benötige es weitere 209 Jahre, bis eine ausgeglichene Aufgabenverteilung erreicht wird.
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