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■ Frauen-Netzwerke statt Männer-Seilschaften: Auch in Bonn gibt es zarte Ansätze. Zentrale Fragen werden jedoch weiter Männern überlassen Von Helga LukoschatFragile Frauenbündnisse

Weil sie über keine historische Erfahrung mit Bündnissen verfügen, tun sich Frauen damit schwer – trotz oder sogar wegen der „Schwesterlichkeit“

Für Netzwerke schwärmen alle. Von Netzwerken erhoffen sich Politikerinnen Unterstützung, Karrierehilfen oder einfach nur atmosphärische Daseinserleichterungen im Macho-Betrieb Bonn. Um den Seilschaften von Männern etwas entgegensetzen zu können, sind Netzwerke unerläßlich. Sie bewirken jedoch herzlich wenig, wenn den darin zusammengeschlossenen Frauen der Macht- und Durchsetzungswillen fehlt, wie es vor kurzem eine zornige Rita Süssmuth öffentlich moniert hat. Denn in der Politik kommt es in erster Linie auf durchsetzungsstarke Kooperationen und zielgerichtete Bündnisse an. Wie aber ist es um die Bündnisfähigkeit von Frauen in der institutionellen Politik heute bestellt? Dazu ein paar knappe Überlegungen, die im Rahmen einer vor kurzem abgeschlossenen Untersuchung entstanden sind*.

Bei frauenpolitischen Themen sehen Politikerinnen durchaus die Vorteile parteiübergreifender Zusammenarbeit. „Jede Partei hat doch ihre eigene Schallmauer, wo es bei bestimmten Themen nicht weitergeht“, bringt eine der im Rahmen der Studie befragten Politikerinnen die Situation auf den Punkt. Andere erhoffen sich von der sachorientierten Zusammenarbeit quer zu den Parteistrukturen Impulse für die Erneuerung der politischen Kultur. Gleichzeitig aber herrscht bei den Politikerinnen selbst wenig Vertrauen in die Tragfähigkeit der Frauenbündnisse. Parteiräson rangiere letztlich immer vor Frauensolidarität, lautet vielfach die resignierte Schlußfolgerung. Eine Bonner Spitzenpolitikerin hat es sich längst abgeschminkt, die Frauen der Parteien „für frauenpolitische Anliegen zusammen auf die Barrikaden zu bringen“. Sie setze jetzt lieber auf informelle Netzwerke, in denen sich die Frauen gegenseitig unterstützen.

Nun ist es einerseits eine durchaus heilsame Erfahrung, daß Bündnisse unter Frauen nicht gleichsam naturwüchsig entstehen, sondern sich in konflikthaften Prozessen immer wieder neu beweisen müssen. Die ideologisch hochbesetzte Vorstellung von Frauensolidarität aus den Anfangsjahren der Frauenbewegung hat heute Glanz und Begründungskraft verloren. Die naive Vorstellung von „Schwesterlichkeit“ war als Motivation in der Aufbruchszeit tauglich, inzwischen wurde sie ersetzt durch theoretische und praktische Auseinandersetzungen um die Differenz unter Frauen.

Andererseits aber sind Politikerinnen damit keineswegs aus der Verantwortung entlassen, an Bündnissen im Interesse von Frauen zu arbeiten. Nur diese sind eben schwieriger zu bewerkstelligen als erwartet. Die gesellschaftspolitischen Interessen von Frauen verlaufen nun einmal quer zu den Parteistrukturen. Ohne Bündnisse mit Frauen aus anderen Bereichen und/oder Parteien werden die Politikerinnen in Bonn weiterhin Gefahr laufen, am Rande der Macht zu agieren.

Bezeichnend für die bundesrepublikanische Situation ist, daß die wenigen geglückten parteiübergreifenden Bündnisse von Frauen sich fast ausschließlich auf Themen des weiblichen Selbstbestimmungsrechts über Körper und Sexualität beziehen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, die nun endlich durchgesetzt wurde. Es lohnt sich also, wenn Politikerinnen parteiübergreifend Druck ausüben. Der Umbau des Sozialstaats oder eine geschlechtergerechte Steuerreform, Themen, die nicht minder große Bedeutung für den Alltag von Frauen, Männern und Kindern haben, stehen jedoch bisher nicht auf der Agenda. Eine überparteiliche Initiative zur Abschaffung des Ehegatten- Splittings – der staatlichen Subventionierung der Hausfrauenehe – ist nicht in Sicht.

Politikerinnen aller Parteien stimmen inzwischen zwar überein, Frauenpolitik als „Querschnittsaufgabe“ zu verstehen, die in allen Ressorts verankert sein soll. Aber das ist gegenwärtig kaum mehr als eine Bindestrich-Politik, in der Frauen „vorkommen“: Verkehr und Frauen, Stadtplanung und Frauen, Wirtschaft und Frauen. Frauen werden aber erst dann zu souveränen Akteurinnen der Politik, wenn sie nicht nur „ungewohnte“ Themenfelder besetzen, sondern diese neu definieren und bewerten. Wo bleiben also die Anstrengungen von Politikerinnen, gesellschaftliche Probleme einem politischen Re-Framing zu unterwerfen, wie der Prozeß der Neu- und Umbewertung in der feministischen Strategiediskussion in den USA oder in Skandinavien genannt wird? Die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ zum Beispiel, mit der wir in den letzten Jahren so sehr traktiert worden sind, ist eben kein Frauenthema, sondern dezidiert auch ein Männerthema.

Wie angesichts der Erosion von Arbeitsgesellschaft und Sozialstaat künftig Erziehungs- und Fürsorgearbeit im privaten Bereich gestaltet wird, stellt ein zentrales Feld für parteiübergreifende Frauenkooperationen dar. Aber das Feld liegt brach und wird weitgehend den Männern überlassen. Die neuen Ansätze dringen über das bündnisgrüne Milieu kaum hinaus. Und das, obwohl Schlüsselfragen zur Debatte stehen: die Arbeitsteilung der Geschlechter, die gerechte Verteilung von Arbeit, Einkommen und Zeit.

Was hindert Frauen eigentlich daran, wirkungsvoll miteinander zu kooperieren? Frauen müssen in der Parteipolitik eine doppelte Leistung erbringen, auf die sie in ihrer Sozialisation im allgemeinen denkbar schlecht vorbereitet werden. Sie müssen sowohl das Metier beherrschen und sich in den Parteien behaupten, sie müssen sich aber auch eine Machtbasis quer zu den traditionellen Seilschaften schaffen, die ihnen größere Unabhängigkeit vermittelt und überhaupt erst die Voraussetzung dafür schafft, sich nicht bedingungslos anpassen zu müssen. Diese Machtbasis kann aber nur dann entstehen, wenn Frauen auf die Loyalität anderer Frauen vertrauen können und an der Tragfähigkeit ihrer Zusammenschlüsse nicht zweifeln müssen.

Genau hier liegen die Probleme. Frauen sind keineswegs frei von destruktiver Konkurrenz. Sie bringen zudem wenig Erfahrung mit, wie produktive Konkurrenz aussehen kann. Sie haben Schwierigkeiten, sich gegenüber anderen Frauen abzugrenzen. Die althergebrachte Vorstellung der Gleichheit macht es ihnen nicht leicht, ihr ambivalentes Verhältnis zu den eigenen Führungsfrauen auszuhalten und produktiv zu wenden. Während es für Männer eine selbstverständliche, immer wieder tradierte Erfahrung ist, von der Unterstützung anderer Männer profitieren zu können, fehlt es Frauen weitgehend an der Erfahrung verläßlicher Bündnisse. Das Netz zwischen Frauen ist rissig: Die Frau an der Spitze hat nicht die Gewißheit, daß sie von den Frauen an der Basis auch in schwierigen Situationen vorbehaltlos unterstützt wird. Den Frauen an der Basis fehlt die Sicherheit, daß die Frau, die von ihnen mit nach oben gebracht wurde, nicht das „Bienenkönigin-Syndrom“ entwickelt und Loyalitäten aufzukündigen beginnt.

Frauen in politischen Führungspositionen haben deshalb eine besondere Verantwortung, jüngere Frauen zu fördern. Also sichtbar zu machen, daß es sich lohnt, wenn Frauen sich positiv auf Frauen beziehen. Spitzenpolitikerinnen haben zugleich größere Spielräume, neue Akzente zu setzen – in Sinne des oben beschriebenen Re- Framings von Themen und Forderungen. Denn je machtvoller die Position einer Politikerin ist, je mehr sie als Symbolfigur unentbehrlich scheint, desto wirkungsvoller kann sie in „oppositioneller“ Abweichung zur eigenen Partei agieren und sich erlauben, quer zu denken und zu handeln. Sicher, in den Führungspositionen der Politik stellen Frauen noch immer eine Minderheit dar – auf Bundesebene liegt ihr Anteil zur Zeit bei rund 18 Prozent. Aber sie sind längst keine Einzelkämpferinnen mehr, sie können ihre Machtpositionen besser nutzen als bisher. Der ganze Kampf um die Quotierung muß doch schließlich einen Sinn gehabt haben.

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