Frauen-Handball-WM: Die Schönheit des Spiels
Handball, wie ihn die Norwegerinnen spielen, ist physische Poesie. Nur schade, dass die Frauen-Handball-WM in Deutschland zurzeit keiner sehen kann.
Gemeinhin denken Menschen, wenn sie an Handball denken, an Gehirnerschütterung, Brutalität und an diesen einen Typen mit dem seltsamen Schnauzbart – und eher nicht an Schönheit, Raffinesse und die atemberaubende Eleganz ausgebuffter Spielzüge.
Und daran wird sich wohl auch vorerst nichts ändern, obwohl ja gerade die Handball-WM der Frauen in Deutschland und den Niederlanden stattfindet, die ein Schaulaufen sein könnte, um zu beweisen, dass dieser Sport dem Fußball in vielem haushoch überlegen ist.
Es ändert sich deshalb nichts daran, weil ARD und ZDF sich entschieden haben, frühestens ab dem Viertelfinale Spiele zu übertragen. Und das auch nur dann, wenn das deutsche Team sich dafür qualifiziert, was alles andere als sicher ist. Aber selbst dann würde man als Zuschauer nicht verstehen, was sich der Autor dieses Textes hier herbeifantasiert. Sie würden es verstehen, wenn sie Nora Mørk spielen sehen könnten.
Wobei: Streng genommen spielt die Norwegerin Nora Mørk keinen Handball. Sie komponiert ihn. Sie springt nicht, sie schwebt. Und wenn sie aus dem Rückraum kommt, dann nicht wie eine Maschine, sondern wie eine Tänzerin auf Adrenalin – voller Kraft, Kontrolle und Anmut.
Mørk ist das Herz der norwegischen Nationalmannschaft. Dieses Team beweist seit Jahren, dass man anstatt mit reiner Kraft auch schön und schnell spielen und trotzdem gewinnen kann.
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In ihren besten Momenten spielen Norwegerinnen so, wie Handball sein sollte: wie hochverdichtete, physische Poesie. Da wird nicht bloß geworfen, da wird getäuscht, verzögert, beschleunigt, geblufft, gezirkelt. Ihr Spiel überrascht. Handball, wie ihn Norwegen spielt, ist ideenreich, durchdacht und für den Gegner unberechenbar.
Besonders auffällig ist das Zusammenspiel. Da fliegt der Ball in schnellen Dreiecken, plötzlich wird die Kreisspielerin freigespielt, die vorher niemand gesehen hat, oder eine Lücke genutzt, die eigentlich nie da war. Täuschungsmanöver, Doppelpässe, No-Look-Abspiele, blitzschneller Richtungswechsel – das ist keine rohe Gewalt, das ist tänzerische Taktik, ganz hohe Schule.
Handball ist ein Spiel voller Gegensätze. Es ist schnell, hart, und körperlich, zugleich aber elegant, durchdacht, beinahe feingliedrig. Wer nur auf den Lärm hört, auf das Quietschen der Schuhe, das Krachen in den Zweikämpfen, der sieht diese Schönheit nicht.
Dabei liegt gerade in der Reibung zwischen Wucht und Anmut die Faszination dieses Spiels. Es gibt diese Momente, in denen der Sport alles auf einmal ist: roh und raffiniert, kompromisslos und voller Taktgefühl. Eine Spielerin prallt auf die Abwehr – und im nächsten Augenblick hebt sie scheinbar schwerelos ab und zieht den Ball im Fallen am Torwart vorbei. Es ist diese Spannung zwischen Instinkt und Komposition, die Handball einzigartig macht.
Und niemand beherrscht dieses Spiel der Kontraste so vollkommen wie das norwegische Team. Sie lassen Räume entstehen, wo vorher keine waren, sie spielen den Ball in Laufwege hinein, die noch gar nicht existieren. Und Nora Mørk ist die Virtuosin dieser Dynamik.
Schade nur, dass Ihnen nichts anderes übrig bleibt, als dem Autor dieser Zeilen das alles zu glauben. Im Fernsehen können Sie das ja gerade nicht überprüfen.
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