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Frauen-EM VolleyballBaggern für Baku

Lenka Dürr steht am Anfang einer vielleicht lukrativen Karriere. Im deutschen Team spielt sie derzeit vor heimischem Publikum um den EM-Titel.

Lenka Dürr beim EM-Spiel im westfälischen Halle gegen die Niederlande Bild: dpa

HALLE/WESTFALEN taz | Wenn Lenka Dürr auf dem Spielfeld steht und ihren Trainer Giovanni Guidetti an der Seitenlinie beobachtet, müsste sie wahrscheinlich schmunzeln, wäre sie nicht so konzentriert. Wie ein Rumpelstilzchen hüpft der Italiener herum, und das hat tatsächlich komische Züge. Außerdem spricht es für den besonderen Geist, den Deutschlands Volleyballerinnen in ihrer Nationalmannschaft kultivieren.

„Er lebt uns das mit seiner super emotionalen Art vor“, sagt Lenka Dürr, „Giovanni spielt ja am Spielfeldrand fast mit.“

Deutschland hat gewiss nicht die besten Volleyballerinnen der Welt in seinen Reihen, doch das kompensiert dieses Ensemble mit einer mannschaftlichen Geschlossenheit, die ihresgleichen sucht. Mittendrin in dieser seit Jahren verschworenen Einheit ist Lenka Dürr, die den Part als Libero ausfüllt.

Dass sie als Abwehrchefin eine exponierte Stellung innehat, ist schon daran abzulesen, dass sie mit einem andersfarbigen Trikot gekennzeichnet ist. So sehen es die Regeln vor. Im Volleyball ist der Libero dafür zuständig, im Hinterfeld die Annahme und die Feldabwehr zu koordinieren. Lenka Dürr formuliert das so: „Mein Job ist es, die Bälle vom Boden zu kratzen.“

Die Volleyball-EM

Das Turnier: Nach dem Ende der Vorrunde, die in Halle, Dresden, Schwerin und Zürich ausgetragen wurde, stehen am Mittwoch die Viertelfinalspiele an. Dann geht es nach Berlin, wo am Freitag in der Max-Schmeling-Halle die Halbfinals und am Samstag das Endspiel stattfinden.

Die Favoriten: Titelverteidiger Serbien hat sich als Vorrundenerster ebenso direkt für das Viertelfinale qualifiziert wie die Deutschen, die 2011 Vizeeuropameisterinnen geworden sind. Die Deutschen haben dabei in ihrer Gruppe die hoch gehandelten Türkinnen mit 3:0 geschlagen. Rekordeuropameister Russland ist mit drei Erfolgen bislang durch das Turnier spaziert, während sich die Olympiavierten aus Italien nach einer Niederlage gegen Belgien nicht direkt für die Runde der besten acht qualifizieren konnten und in die Playoffs mussten.

Das macht sie so gut, dass sie mit gerade einmal 22 Jahren bereits mehr als 80 Länderspiele für die Auswahl des Deutschen Volleyballverbands absolviert hat.

Im Rampenlicht

Mitbekommen hat das kaum einer hierzulande. Doch bei der derzeit stattfindenden Europameisterschaft im eigenen Lande stehen die Volleyballerinnen, die sonst meist im Verborgenen baggern, im Fokus der Öffentlichkeit.

Lenka Dürr genießt die ungewohnte Aufmerksamkeit genau wie den Rückhalt der Zuschauer, die das deutsche Team während der Vorrunde im Tennisstadion von Halle in Ostwestfalen unterstützt haben: „Es ist wirklich der Hammer, wie die Leute ausrasten, wenn wir hinten einen Ball retten.“

Dreimal hat die Unterstützung geholfen, nach dem leichten Aufgalopp gegen Spanien und dem hart erkämpften Erfolg gegen die Niederlande folgte beim 3:0 gegen die Türkei die mit Abstand beste Turnierleistung. Nun steht am Mittwoch das Viertelfinale gegen den Sieger der Partie Niederlande gegen Kroatien (20 Uhr, Sport1) auf der Agenda.

Der Weg zum Gipfel

Die ersten drei Etappen auf dem Weg zum Gipfel sind also gemeistert. Denn nichts weniger als den Titel haben sich die deutschen Frauen zum Ziel gesetzt, wohl wissend, dass die Konkurrenz aus Russland, Serbien oder Italien physisch und athletisch über bessere Voraussetzungen verfügt.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei Lenka Dürr zu, die sich die Rolle als Libero jahrelang mit der routinierten Dresdnerin Kerstin Tzscherlich teilte. Doch die ist inzwischen zurückgetreten und wird Mutter, sodass die Last allein auf der Jüngeren ruht.

Ein Problem sei das nicht für sie. „Ich freue mich, dass es endlich so weit ist, schließlich habe ich darauf hingearbeitet“, sagt Lenka Dürr. Auch sonst tut sich eine Menge in der Karriere der jungen Allgäuerin, die in Memmingen geboren und in Kaufbeuren aufgewachsen ist. Aus dem beschaulichen Vilsbiburg in Niederbayern, wo sie die letzten sieben Jahre verbrachte und wo sie mit den Roten Raben 2010 deutsche Meisterin geworden ist, zieht es die Nationalspielerin zur neuen Saison nach Baku.

In der Hauptstadt von Aserbaidschan wird Lenka Dürr nicht nur ein neues Kapitel ihrer Karriere beginnen und vielleicht eine neue Sprache lernen, sondern auch doppelt so viel verdienen wie bei ihrem alten Arbeitgeber. Sie muss sich nun nur noch überlegen, welche Sprache sie lernen will.

Ihr neuer Club Igtisadchi

In ihrem Team spielen vier Frauen aus Thailand, zwei aus den USA, drei Chinesinnen, eine Italienerin, eine Kubanerin und eine Niederländerin. Nur der Trainer kommt aus Aserbaidschan und spricht Azeri. Ihr künftiger Klub, der Vizemeister der Saison 2012/13, trägt den für deutsche Ohren abenteuerlich klingenden Namen Igtisadchi. Den kann Lenka Dürr bereits unfallfrei aufsagen.

An alles andere wird sie sich in der neuen Heimat noch gewöhnen müssen. Vor allem an den Verkehr, der chaotische Züge haben soll, wie sich Lenka Dürr von Kolleginnen berichten ließ.

Doch damit muss sich die deutsche Nationalspielerin nicht beschäftigen. Ihr Verein bezahlt sie nicht nur ordentlich, sondern stellt ihr auch noch einen Chauffeur.

Das wird ein ungewohnter Luxus sein in einem Land, in dem Volleyballerinnen wie Stars hofiert werden.

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