piwik no script img

Franzosen aus Kamerun entführtIslamisten weiten Krieg aus

Mit der Verschleppung von sieben französischen Touristen in Kamerun befinden sich jetzt 15 Franzosen in Afrika in islamistischer Geiselhaft.

Immer besser international vernetzt: Boko-Haram-Führer Shekau in einer Videoaufnahme vom Januar 2012. Bild: reuters

BERLIN taz | Der Waza-Nationalpark voller Elefanten, Giraffen und Antilopen im äußersten Norden Kameruns an der Grenze zu Nigeria ist ein touristischer Geheimtipp: Lediglich 3.000 Menschen besuchen ihn jedes Jahr. Für sieben von ihnen ist der Park jetzt zum Verhängnis geworden: Die sieben Franzosen, darunter vier Kinder, wurden in Dabanga nahe der Grenze verschleppt.

Nun ist eine multinationale Suchoperation mit Hubschraubern im Gange, und Frankreichs Krieg gegen islamistischen Terror in Afrika, der das Land bereits nach Mali führte, hat eine neue Front.

Die Entführung war öffentlich. Eine nigerianische Nachrichtenwebseite zitiert einen kamerunischen Augenzeugen: „Das Auto der sieben Franzosen steckte bei Dabanga im Sand fest. Eine Gruppe bewaffneter Männer kam auf Motorrädern an und zwang die Europäer mit vorgehaltener Waffe, ihr Auto zu verlassen. Sie wurden weggebracht, obwohl eine Menschenmenge zuschaute. Niemand konnte ihnen helfen, weil die Kidnapper schwer bewaffnet waren.“

Französische Stellen reagierten widersprüchlich. Erst machte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian die nigerianische Islamistengruppe Boko Haram verantwortlich, später hieß es, man wisse nicht, wer die Entführer seien. Le Drian schloss auch jeden Zusammenhang mit Frankreichs Mali-Feldzug aus.

Der wird aber anderswo durchaus gesehen. „Sieben Franzosen in Kamerun verschleppt: Boko Haram beteiligt sich am Krieg in Mali“, titelte die algerische Zeitung Le Temps.

Boko Haram beteiligt sich am Krieg in Mali

In Burkina Faso stellte L‘Observateur Paalga unter der Überschrift „Französische Geiseln in Afrika: Die Liste wird länger“ die Frage: „Mal sehen, welche Folgen diese neue Entwicklung auf die Operationen im malischen Norden haben wird - beschleunigt sie den bereits angekündigten Rückzug der Truppen der Trikolore, die sich aus dem malischen Sand herausziehen wollen, um nicht festzufahren?“

Wie zur Bestätigung betonte Minister Le Drian in Paris am Mittwoch, Frankreich werde binnen Wochen aus Mali abziehen: „Es gibt keinen Grund für uns, zu bleiben“.

Mit den neuen Geiselnahmen steigt die Zahl der in Afrika festgehaltenen Franzosen auf 15. Und erst am Wochenende wurden im Norden Nigerias vier Libanesen, ein Brite, ein Grieche und ein Italiener beim Überfall auf eine Baustelle der libanesischen Firma Setaco entführt. Die islamistische Gruppe „Ansaru“ bekannte sich dazu am Montag.

Avantgarde für den Schutz der Muslime in Schwarzafrika

Laut einer Analyse des US-Thinktanks „Jamestown Foundation“ entstand Ansaru, nachdem Nigerias Armee im Juli 2009 das Hauptquartier Boko Harams in der Millionenstadt Maiduguri stürmte und rund 1000 Menschen tötete, darunter Boko-Haram-Führer Muhammad Yusuf. Dessen Stellvertreter Abu Shekau übernahm die Führung, aber ein Teil der Gruppe spaltete sich als „Avantgarde für den Schutz der Muslime in Schwarzafrika“ (Jama‘atu Ansaril Muslimina fi Biladis Sudan, abgekürzt Ansaru) ab.

Ansaru knüpfte Kontakte zur algerischen „al-Qaida im Islamischen Maghreb“ (AQMI) und der malischen „Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika“ (Mujao) - die beiden Gruppen, die in Nordmali bis zum Einmarsch Frankreichs herrschten. Ansaru tötete im Januar zwei Offiziere bei einem Überfall auf das nigerianische Armeekontingent, das gerade nach Mali aufbrechen sollte.

„Während Boko Haram sich auf Nigerias Innenpolitik konzentriert, scheint Ansaru einen internationaleren Fokus zu haben“, schrieb am Dienstag der ehemalige US-Botschafter in Nigeria, John Campbell, in seinem Blog.

Als einen Führer von Ansaru nennt das US-Außenministerium Khalid al-Barnawi, der aus Niger stammen soll. Er und der in Algerien von al-Qaida ausgebildete Nigerianer Adam Kambar seien für die Verschleppung von Franzosen aus Niger nach Mali verantwortlich.

Kameruns Norden als Rückzugsgebiet

Zu Boko Harams Führung wiederum gehört der Kameruner Mamman Nur. Er soll nach nigerianischen Medienberichten inzwischen eine eigene Fraktion leiten. Shekau selbst soll sich aber ebenfalls zeitweise nach Kamerun zurückgezogen haben. Dass Kameruns Norden zum Rückzugsgebiet islamistischer Kämpfer wird, führte schon mehrfach zu Militäroperationen und Genzschließungen.

Erst im Dezember 2012 verhafteten Kameruns Sicherheitskräfte 31 mutmaßliche Boko-Haram-Kämpfer. „Die Mandara-Berge an der nigerianisch-kamerunischen Grenze, wo die Staatsmacht schwach und Schmuggel allgegenwärtig ist, sind ideal als Versorgungsroute, Versteck und Aufmarschgebiet“, schreibt das Terrorismuszentrum der US-Militärakademie West Point in einer neuen Analyse.

Frankreich hat nun allen seinen Staatsbürgern im Norden Kameruns geraten, die Region zu verlassen. Auch vor Grenzregionen des Nachbarn Tschad wird gewarnt. „Die Grenzregionen von Niger, dem Süden Libyens, Sudans und der Zentralafrikanischen Republik ebenso wie die Region des Tschadsees“ listet das Außenministerium in Paris seit Mittwoch offiziell als „rote Zone“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • RR
    @ reorient

    es scheint für hiesige antiimps schwer zu vertehen zu sein, dass die menschen in mali sich lieber von neoimperialisten helfen lassen, als von faschistoiden Islamisten unter drücken zu lassen.

     

    ich finde es gefährlich, dass sie die betroffenen menschen ignorieren und implizit propagieren, dass ein möglicher neoimperialer einflussgewinn schlimmer ist als die Unterdrückung durch Islamisten. ist das nicht irgendwie linken imperialismus? mensch könnte es auch rassistisch nennen wenn deutsche linke mal wieder wissen was besser ist für die menschen in afrika.

  • Z
    zombie1969

    Die Islamisierung des afrikanischen Kontinentes scheint mit grossen Schritten weiter voranzugehen. Offenbar wird es nun für Andersgläubige immer enger in Afrika. Aufgrund des unkontrollierten Massenzuzuges nach Europa von Muslimen, kann man sich ausmalen wie es sich hier auch weiter entwickeln wird. Anschauungsbeispiele dazu gibt es bereits in London, Paris, Malmö oder Berlin reichlich zu bestaunen.

  • R
    reorient

    Man denke sich doch mal, etwa in Bezug auf Mali und die dortigen Uranvorkommen, die Ueberschrift "Neoimperialisten weiten Krieg aus". Treffend? Warum nicht, sie ist zumindest nicht schlechter als die Betitelung des aktuellen Artikels hier. Sagbar? Offenbar immer noch nicht, zumindest nicht in den grossen Tageszeitungen als Mainstream-Medien. Und uebgrigends: Die von der CIA gegruendete Jamestown-Foundation beschraenkt sich durchaus nicht nur auf wissenschaftliche Analysen, sie mischt auch kraeftig selber mit, ob in Afrika oder anderswo, Hauptsache, dass es etwas zu holen gibt. Nicht zuletzt deswegen ist sie so gut informiert ueber die Herkunft sogenannter islamistischer Bewegungen.