Französischer Expräsident: Chirac kommt doch vor Gericht
Der 78-jährige soll einst illegal Gelder akquiriert haben, um damit Parteiaktivitäten zu finanzieren. Seit Tagen wird zudem über den Gesundheitszustand des Expräsidenten spekuliert.
PARIS taz | Erst beim Prozessbeginn am 7. März wird der ehemalige Staatspräsident Jacques Chirac wissen, ob die Gerichtsverhandlung gegen ihn auf unbestimmte Zeit verschoben wird, wie dies seine Anwälte unter Hinweis auf den geschwächten Zustand ihres Mandanten gewünscht haben. Da seit Tagen über seine angeschlagene Gesundheit spekuliert wird, erklärte Chirac gestern persönlich vor Kameras, es gehe ihm gut, und er wünsche allen dasselbe.
Nicht mehr der Jüngste
Es war indes schon seit Wochen bei seinen seltenen Auftritten sichtbar, dass er nicht mehr der Jüngste ist. Bei der kürzlichen Einweihung eines Museum in Orléans musste er von einem jungen Mann beim Gehen gestützt werden. Seine Gattin Bernadette dementierte gestern Gerüchte über eine Alzheimer-Erkrankung: "Die Ärzte haben ihm gesagt, dass er nicht an Alzheimer leide. Ich glaube ihnen." Sie räumte allerdings ein, dass er seit einem kleinen Hirnschlag Gedächtnislücken habe und auch nicht mehr der sei, den man einst den "Bulldozer" nannte. Hingegen bestätigte sie, dass er fest entschlossen sei, an der Verhandlung teilzunehmen.
Der 78-Jährige, der sich nach der Wahl seines Nachfolgers Nicolas Sarkozy in den Ruhestand zurückgezogen hat, soll sich vor dem Pariser Strafgericht wegen Verdachts auf Unterschlagung zur Finanzierung der Politik verantworten. Ihm und neun Mitangeklagten wird vorgeworfen, dank fiktiver öffentlicher Anstellungsverträge heimlich mehrere in Wirklichkeit für die gaullistische Partei RPR tätige Mitarbeiter bezahlt zu haben. Vergeblich hatte die Staatsanwaltschaft die Einstellung dieser letzten noch gegen Chirac anhängigen Strafuntersuchung beantragt. Aufgrund der Hartnäckigkeit eines Untersuchungsrichters soll nun doch ein Prozess stattfinden.
Schuldspruch fraglich
Früher waren bereits alle Versuche, ihn wegen des Verdachts illegaler Finanzierung von Wahlen oder Parteiaktivitäten anzuklagen, an seiner Immunität als Staatsoberhaupt gescheitert. Die Stadt Paris, die im Prinzip wegen der fiktiven Stellen im Rathaus zu den Geschädigten gehört, hat einem Vergleich zugestimmt, der Chirac und die Regierungspartei UMP zur Rückzahlung von je 550.000 und 1,7 Millionen Euro verpflichtet. Selbst wenn der Prozess vor dem Pariser Strafgericht stattfinden sollte, lässt diese gütliche Einigung einen Schuldspruch vor Gericht ziemlich unwahrscheinlich erscheinen, bei dem Chirac im Höchstfall bis zu zehn Jahre Haft und 150.000 Euro Geldbuße drohen würden. RUDOLF BALMER
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