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Franziska Giffeys „Berlin-Abo“Gut, klug und futsch

Kommentar von Claudius Prößer

Das Berliner 29-Euro-Ticket war von Anfang an keine besonders sinnvolle Idee. Das Deutschlandticket-Upgrade ist nun aber die bestmögliche Exit-Option.

Da hinten geht's nach Deutschland: Franziska Giffey (SPD), Erfinderin des Berlin-Abos Foto: IMAGO / Funke Foto Services

Z u den herausragendsten Fähigkeiten der Politikerin Franziska Giffey (SPD) gehört die, der Öffentlichkeit ihre Erfolge wie Niederlagen mit demselben offensiven Lächeln verkaufen zu können.

Letzteres hat die Wirtschaftssenatorin jetzt mit dem „Berlin-Abo“ getan, dem 29-Euro-Ticket, das sie – damals noch Regierende Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin ihrer Partei – im letzten Wahlkampf als Geschenk versprochen und anschließend nach zähem Ringen durchgedrückt hatte.

Das „Berlin-Abo“ ist bekanntlich futsch, der schwarze-rote Senat hat es den Einsparzwängen geopfert. Allerdings werden die letzten Abonnements erst Ende 2025 auslaufen, denn auch kurz vor dem Aus Anfang Dezember haben noch etliche zugegriffen.

Sie kommen nun noch ein ganzes Jahr (die AbonnentInnen der ersten Stunde zumindest noch ein halbes) in den besonderen Genuss eines Deutschlandtickets zum Preis von 29 Euro pro Monat: Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, zahlt das Land für das Upgrade zum 58-Euro-Ticket (Preis ab 1. Januar), statt die Berlin-Abos einfach einseitig fristlos zu kündigen.

Für Giffey ist das Ganze eigentlich eine Schmach, aber genau das lässt sie sich nicht anmerken: „Ich halte die in dieser schwierigen Situation gefundene Lösung für einen klugen und guten Weg“, sagt sie jetzt und hofft, dass so viel Klugheit und Gutheit am Ende doch wieder auf ihr politisches Konto einzahlt. Sie wollte ja immer nur das Beste – was kann sie für den knappen Haushalt?

Berliner Extrawurst

„Ich habe auch für gebührenfreie Kitas gekämpft, für das kostenfreie Schülerticket, das Sozialticket und das gebührenfreie Mittagessen in Kitas und Schulen“, so Giffey weiter, „und wenn man sich entscheiden muss, was von diesen Dingen nicht mehr geht, dann war für mich klar: Ich entscheide im Sinne der Kinder und der Familien.“

Moralisch einwandfrei argumentiert – da könnte man glatt vergessen, dass die Berliner Extrawurst eines billigen Tickets parallel zum Bund-Länder-Gemeinschaftsprojekt Deutschlandticket von vornherein teuer und auch gar nicht besonders klug war. Viele hatten zu Recht kritisiert, dass das Geld sinnvoller zur Vergünstigung des Deutschlandtickets für einkommensschwache Gruppen oder eben gleich zur Verbesserung des Verkehrsangebots hätte eingesetzt werden sollen.

Zwei Dinge sollte man allerdings festhalten: Erstens, das Land leistet sich mit dem Deutschlandticket-Upgrade kein „teures Geschenk“, wie des Öfteren zu lesen war. Es spart vielmehr durch das Umsatteln auf das vom Bund gesponserte Ticket Geld, auch wenn es wohl bloß 30 Millionen Euro sind.

Die Alternativen wären entweder teurer gewesen (das Auslaufenlassen des Berlin-Abos bei gleichbleibenden Landeszuschüssen) oder hätten teure Risiken beinhaltet (der Sofortausstieg). Letztere Option wäre auch politisch vernichtend für Giffey gewesen.

Überflüssige Neiddebatte

Zweitens: Eine Neiddebatte, wie sie ebenfalls schon anklang, ist völlig überflüssig. Klar, all jene, die sich in letzter Minute das billige Berlin-Abo sicherten, weil sie tatsächlich mit dem Deutschlandticket-Move rechneten, sind fein raus und sparen 348 Euro bis Ende 2025. So schlau muss man aber erst mal sein. Die meisten der aktuell 270.000 AbonnentInnen werden einen Grund gehabt haben, nicht noch 20 Euro für das – zumal monatlich kündbare – Deutschlandticket draufzulegen.

Und dieser Grund lautet ganz oft: Es bringt ihnen nichts, denn sie verlassen Berlin praktisch nie oder zu selten, um von der bundesweiten Gültigkeit des Deutschlandtickets im Nahverkehr zu profitieren.

Gerade alte Menschen haben oft keinen Bewegungsradius, der über die Landesgrenze hinausreicht, aber auch Jüngere ohne Auto verbringen die meiste Zeit in der Stadt – und wenn es doch mal auf Reisen geht, dann mit dem ICE oder dem Flieger. Dass sich jetzt Zigtausende mit klammheimlicher Freude über die unverhoffte Ersparnis in die Regionalbahnen quetschen, ist alles andere als wahrscheinlich.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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1 Kommentar

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich versteh die Diskussion einfach nicht. An selber Stelle, selber Welle ist bereits vor 2,5 Jahren berichtet worden: ein preiswerter & vor allem sozialer ÖPNV wäre möglich, wenn endlich auf Dienstwagenprivilegien & allgemein Subvention in eine klimaschädliche Automobilindustrie verzichtet werden würde. Angesichts der zwingend zu erreichenden Klimaziele wären das zwei Fliegen mit einer Klappe.

    taz.de/Die-Zukunft-des-OePNV/!5865587/

    www.mobilitaetswen...kostenloser-oepnv/



    Lindner schimpfte auf Umsonstkultur angesichts der Forderung auf ein vernünftiges Folgeanbot nach dem 9 € Ticket für finanziell schwächer Gestellte. Die Gratismentalität, bei Neuanschaffung von teuren Dienstwagen, welche über die Hälfte vom Staat bezahlt werden, scheint offenbar weniger sein empfindsamen Sparbeutel zu belasten… der Queerregierer.

    taz.de/Massive-Sub...tschland/!5871777/

    www.spiegel.de/aut...-873c-6891d9c4c778