putins rechte freundinnen
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Lobbyismus im Solde Putins?

Hat Frankreichs Rechtsaußen Marine Le Pen doch nicht nur einfach einen Kredit einer russischen Bank bekommen? Das legen neue Dokumente nahe

Über dem Foto des Gesichts einer blonden Frau steht "Votez Poutine"

Auf ein Plakat Marine Le Pens zur Präsidentschaftswahl im April 2022 wurde „Wählt Putin“ gekritzelt Foto: Batard Patrick/abaca/imago

Aus Paris Rudolf Balmer

„Wenn Sie von Russland sprechen, reden Sie von Ihrer Gläubigerbank“, entgegnete beim letzten Fernsehwahlduell im April 2022 Emmanuel Macron seiner Gegnerin Marine Le Pen. Er wollte damit suggerieren, dass die Präsidentschaftskandidatin der extremen Rechten wegen eines Kredits zur Vorfinanzierung ihres Wahlkampfes vom Kreml abhängig und darum in ihren Äußerungen zur russischen Politik nicht unvoreingenommen sei.

Für Le Pen ist diese von ihr heruntergespielte Connection spätestens seit der (von ihr schließlich explizit verurteilten) russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 eine politische Schwachstelle.

Den Vorwurf, irgendwie in Putins Diensten zu stehen, wollte die Chefin des Rassemblement national (RN, ehemals Front national) wie früher schon mit dem formalen Hinweis entkräften, sie habe diese Anleihe „von einer Bank und nicht von Wladimir Putin“ erhalten. Mehr wollte sie auch im Mai 2023 vor einem parlamentarischen Ausschuss nicht zu dem Umständen und eventuellen Konditionen dieser finanziellen Großzügigkeit sagen.

Die Frage, warum sie diese Abhängigkeit akzeptiert habe, war für sie durch die Tatsache beantwortet, dass keine französische Bank ihr Geld leihen wollte. Jetzt weiß man, dass diese Rechtfertigung einen Teil der Wahrheit kaschierte. Denn die Beziehungen zur russischen Staatsführung, die Le Pen auf einen Höflichkeitsbesuch bei Putin im Kreml im März 2017 reduzieren möchte, waren vor allem in der Periode nach der russischen Annexion der Krim 2014 bis 2016 viel enger, als sie dies je zugab.

Das französische Online­magazin Mediapart konnte Tausende Daten aus den Jahren 2008 bis 2023 von der Mailbox des Vizepräsidenten der russischen Duma, Alexander Babakow, analysieren. Diese wurden im August von der ukrainischen „Cyber Resistance“ veröffentlicht, und belegen, dass Babakow hochrangigen „Sonderberatern“ von Putin Kontakte vermittelte und im Eilverfahren Einreisevisa für sie besorgte.

Gewisse Flüge der FN-Leute nach Moskau seien laut Mediapart aus Russland bezahlt worden. Unter den geleakten Dokumenten ist auch ein Schreiben der damaligen EU-Abgeordneten Marine Le Pen auf Briefpapier des EU-Parlaments. In dem bedankt sie sich bei ihrem „lieben Alexander Mikhailowitsch“ herzlich für seine „wertvolle Hilfe“ – und speziell dafür, dass er sich „wie schon das letzte Mal“ für ein Treffen zwischen ihrem Gesandten, dem (mittlerweile ehemaligen) EU-Abgeordneten Jean-Luc Schaffhauser, und dem damaligen Duma-Vorsitzenden (und heutigen Auslandsgeheimdienstchef) Sergej Naryschkin einsetzte.

Babakow und seine Mitarbeiter Alexander Worobyew und Mikhail Plisyuk bemühten sich sehr aktiv, der FN-Vorsitzenden Geld zu besorgen. Im September 2014 bekam sie von der Moskauer Kleinbank First Czech-Russian Bank 9 Millionen Euro. Später folgten Verhandlungen über weitere Kredite.

Gab es da wirklich keine Hintergedanken oder gar eine Verpflichtung zu politischen Gegenleistungen? Schaffhauser bekam gleich nach seiner Wahl ins EU-Parlament 2014 von Worobyew einen Textvorschlag für eine Erklärung des FN zur Ukraine, die er prompt seiner Chefin unterbreitete und weitgehend in seiner Rede übernahm.

Wie gut das russische Lobbying via FN funktionierte, belegt die Organisation eines round table in Brüssel durch Schaffhauser und Plisyuk zum Thema: „Ukraine: Information und Desinformation“. Das russische Oppositionsblatt Nowaja Gaseta bezeichnete in der Folge Le Pen als „Russlands einflussreichste Lobbyistin des Jahres 2014“.

Dem jetzigen Interimsparteichef Jordan Bardella, der bei den EU-Wahlen 2024 als Spitzenkandidat des RN antritt, kommen diese Enthüllungen ungelegen. Er hat im Sommer erklärt, die bis 2028 gestundete Anleihe werde möglichst noch vor Ende des Jahres zurückbezahlt.

Die Enthüllungen über ihre „Moskau-Connection“ scheinen Marine Le Pen kaum geschadet zu haben. Gemäß Institut Elabe denken 48 Prozent der Befragten, dass sie die „für eine Staatspräsidentin erforderlichen Qualitäten“ besitze. Laut derzeitigen Umfragen könnte sie 2027 beim ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen nicht nur mit mehr als 30 Prozent der Stimmen an erster Stelle landen, sondern sogar eine echte Chance haben, Frankreichs nächste Staatschefin zu werden.