Frankreichs Wahlrunde eins: Rechtsnationale offiziell vorn
Bei Parlamentswahlen wurde das rechte Rassemblement National stärkste Kraft, das Linksbündnis kam auf Platz zwei, die Macronisten nur auf Platz drei.
![Eine große Menschenmenge demonstriert auf einem nächtlichen Platz mit Großmonument Eine große Menschenmenge demonstriert auf einem nächtlichen Platz mit Großmonument](https://taz.de/picture/7092581/14/Frankreich-1.jpeg)
Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron, der selbst nicht zur Wahl stand, kam bei der Abstimmung am Sonntag auf 20 Prozent, wie das Innenministerium in Paris mitteilte. Die genaue Verteilung der Sitze in der Nationalversammlung entscheidet sich allerdings erst nach der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag.
„Die extreme Rechte ist an der Schwelle der Macht“, räumte Premierminister Gabriel Attal am Sonntagabend in Paris ein. Nach manchen Prognosen könnte das RN nach der zweiten Runde am 7. Juli auf eine relative oder absolute Mehrheit kommen.
Präsident Emmanuel Macron rief angesichts des Wahlerfolgs der Rechtspopulisten zu einem „breiten, demokratischen und republikanischen Bündnis“ auf. Die hohe Wahlbeteiligung zeuge von dem „Willen, die politische Situation zu klären“, betonte der Präsident.
Schwere Niederlage für Macron
Attal kündigte den Rückzug von etwa 60 Kandidaten in der zweiten Runde an, um den Sieg rechtspopulistischer Kandidaten zu verhindern. Das RN dürfte im zweiten Wahlgang „keine einzige Stimme“ erhalten, sagte er.
„Wir haben sieben Tage Zeit, um Frankreich vor einer Katastrophe zu bewahren“, erklärte der sozialistische Politiker Raphaël Glucksmann vom Linksbündnis. Die Republikaner – ohne ihren abtrünnigen Parteichef Eric Ciotti – liegen bei zehn Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit mindestens 65 Prozent deutlich höher als 2022 mit 48 Prozent.
Die Ex-Parteichefin des RN, Marine Le Pen, rief ihre Anhänger auf, ihrer Partei in der nächsten Runde eine „absolute Mehrheit“ zu verschaffen. Macrons Lager sei „praktisch ausgelöscht“, erklärte Le Pen, die in ihrem Wahlkreis bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde. Parteichef Jordan Bardella sieht sich bereits als künftiger „Premierminister aller Franzosen“. Er werde „verfassungstreu, aber unnachgiebig“ sein, kündigte der 28-Jährige an.
Der linkspopulistische Politiker Jean-Luc Mélenchon nannte das Ergebnis eine „schwere und indiskutable Niederlage für Macron“. Er erklärte, dass seine Partei La France Insoumise (LFI) manche Kandidaten ebenfalls zurückziehen werde, um den Sieg von RN-Kandidaten zu verhindern.
Experten erwartet mehr politische Instabilität
Frankreich-Experten warnten angesichts des Wahlergebnisses vor einer politischen Dauerkrise. „Es konkretisiert sich die Gefahr, dass Frankreich sich in einer Situation ohne parlamentarische Mehrheit wiederfindet“, sagte Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Die politische Instabilität werde zunehmen, fügte er hinzu.
Die Verteilung der 577 Sitze der Nationalversammlung wird sich erst nach der zweiten Wahlrunde klären. 39 Abgeordnete des RN wurden bereits im ersten Wahlgang gewählt, vom Wahlbündnis Neue Volksfront konnten sich 32 Abgeordnete direkt durchsetzen. Um in der ersten Runde gewählt zu werden, brauchen die Kandidaten nicht nur die absolute Mehrheit der Stimmen, diese müssen auch einem Viertel der eingeschriebenen Wähler entsprechen.
Sollte das RN eine absolute Mehrheit erhalten, dürfte Frankreich zum vierten Mal eine Kohabitation erleben, in der Präsident und Premier unterschiedlichen Lagern angehören. Allerdings wären die ideologischen Unterschiede größer als je zuvor.
Das RN ist mit einem europa- und ausländerfeindlichen Programm angetreten. Die Partei hat zudem massive Wahlgeschenke in Aussicht gestellt, von denen es einige bereits abgemildert hat. Konkret will die Partei Frankreichs EU-Beitrag verringern, eine Obergrenze für Einwanderung einführen, die Bewegungsfreiheit von Nicht-EU-Ausländern einschränken und Berufsverbote für Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit auf den Weg bringen. Als eine der ersten Maßnahmen soll die Mehrwertsteuer auf Gas und Treibstoff reduziert werden. Die Abschaffung der Rentenreform soll erst später geschehen.
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