Frankreichs Schinken-Käse-Toast: Knusper, knusper, Toastchen
Wer, wann genau den Croque Monsieur erfunden hat, ist nicht eindeutig überliefert. Aber fest steht: Auch Fett und Ei kann Gourmet.
Knuspriger Herr bedeutet der französische Name frei übersetzt. Gemeint ist etwas denkbar Einfaches: es sind nur zwei Scheiben Weißbrot, mitunter in Ei getunkt, stets gefüllt mit Kochschinken und Käse, und anschließend so gebacken, dass es beim Schneiden und Reinbeißen knuspert und kracht. Denn nichts anderes bedeutet croquer und in dieser lautmalerischen Bezeichnung schwingt sie gleich mit, die französische Lust am Essen, am Genuss. Die Kunst, simple Speisen ganz groß zu machen. Damit hat es das Croque Monsieur auch auf deutsche Speisekarten geschafft (wobei hier nicht die ausschließlich in Norddeutschland verbreitete Variante als überbackenes Baguette gemeint ist).
Ein Croque Monsieur – oder das weibliche Pendant, die mit Spiegelei gekrönte Madame – bestellt man in Deutschland gerne zum Brunch. „Für mich das Schinken-Käse-Toast“ kann da nur schwer mithalten. Über die Entstehung kursieren Geschichten: Einer zufolge wurde das Gericht 1910 in einem Bistro am Boulevard des Capucines ersonnen. Vom dortigen Besitzer soll auch der Name stammen, denn als ein Kunde nach dem Ursprung des Schinkens fragte, antwortete er im Scherz: Menschenfleisch.
Doch bereits zehn Jahre zuvor, 1891, wurde im Magazin La Revue athlétique eine hungrige Runde beschrieben, die überlegt, was man zum Mittagessen auftischen könnte. „Machen wir Croque Monsieur“, kommt die rettende Idee. „Der eine schneidet, der andere buttert, der dritte fügt alles zu Sandwiches zusammen. Sie sind köstlich, die Croque Monsieur, vielleicht ein bisschen groß, für die Kiefer von Riesen gemacht, aber das ist egal.“
Groß ist er, der Croque Monsieur, den mir der Kellner auf den kleinen Bistro-Tisch im Pariser Stadtteil Saint-Germain-des-Prés stellt. Der Kiefer packt’s locker – vielleicht wurde früher höher aufgetürmt, vielleicht waren die Münder kleiner. Dennoch empfiehlt es sich, das Sandwich mit Messer und Gabel zu essen, denn es ist eine ziemlich fettige Angelegenheit.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Käse wie Lava
Das liegt am geschmolzenen Käse – würziger Comté und Gruyère oder der etwas mildere Emmentaler – und an der Béchamelsoße. Mit dieser in der französischen Küche unverzichtbaren Soße aus Milch, Butter und Mehl wird der Croque Monsieur häufig serviert. Wie Lava quillt die fettige Füllung an den Seiten heraus. Ein paar Salatblätter verleihen meinem Teller einen gesunden Touch.
Bis heute ist der Croque Monsieur das perfekte Bistrogericht: Schnell zubereitet, rasch verspeist, sofort stimmungsaufhellend. „Man isst sie, man kommt wieder, man schwärmt“, heißt es in dem Artikel von 1891. Mittlerweile gibt es die Croques in allerhand Abwandlungen: vegetarisch natürlich und auch vegan, normand mit Camembert und norvégien mit Räucherlachs, in der Luxusvariante mit Kaviar und bei hippen Bio-Lokalen mit Brot vom Bäcker ums Eck und 24 Monate gereiftem Comté. Selbst die Kochlegende Alain Ducasse hat sich seiner angenommen.
Fettig-cremige Dekadenz
Auch im „Fric-Frac“ am Ufer des Canal Saint Martin setzt man auf Qualität und Vielfalt. Hier gibt es ausschließlich Croque Monsieur – dafür aber in acht Varianten, etwa mit Chili, Koriander, Sojasoße oder Ziegenkäse. Das Brot kommt vom Meisterbäcker, der Schinken vom Pariser Metzger. Fast Food in der Gourmet-Version, meint Co-Gründer Quentin Rivière, mache schließlich schon seit Beginn der Zehnerjahre die Runde, seien es Burger, Sushi oder Tacos. Warum nicht auch dem etwas in die Jahre gekommenen Croque Monsieur ein kleines Update verpassen?
Ich folge seiner Empfehlung und nehme die Mam’zelle – eine modernisierte Croque Madame mit weich gekochtem Ei. Der Amerikaner gegenüber bestellt Cappuccino und die Version mit Trüffelcreme, am Nachbartisch werden Sandwiches fotografiert. Echte Pariser, so scheint mir, essen ihr Croque im Bistro. Egal. Ich schneide meins entzwei, das Eigelb zerfließt, mischt sich mit Käse und Béchamel. Fettig-cremige Dekadenz!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren