Frankreichs Ausländerpolitik: Neuer Rekord beim Abschieben
Innenminister Claude Guéant hat im vergangenen Jahr rund 33.000 Ausländer ausgewiesen. Das sollen dieses Jahr noch mehr werden. Die Zahl der Einbürgerungen ist deutlich gesunken.
BERLIN taz | Frankreichs Innenminister Claude Guéant ist stolz, er hat sein Plansoll in der Immigrationspolitik übererfüllt. Mit fast 33.000 Abschiebungen von unerwünschten Ausländern haben seine Polizeibehörden im letzten Jahr einen neuen Rekord aufgestellt. 2012 will er diesen mit 35.000 überbieten. Frankreich lasse auch so noch zu viele Ausländer legal einreisen. 2011 wurden rund 200.000 Genehmigungen erteilt, laut Guéant wären 150.000 mehr als ausreichend. Auch die Zahl der Einbürgerungen ist im letzten Jahr um 30 Prozent zurückgegangen.
Auch eine mehrfach verschärfte Ausländerpolitik während der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy hat Frankreichs Anziehungskraft für Migranten nicht vermindert. Guéant möchte daher, dass das Parlament jährlich festlegt, wie viele Einwanderungskandidaten (von außerhalb der EU) zugelassen werden.
Per Rundschreiben hatte er bereits ausländische Studierende - von Ausnahmen in 14 Berufen abgesehen - nach dem Abschluss zu Heimreisekandidaten erklärt. Hochqualifizierte Akademiker aus Afrika, Asien und Lateinamerika, die oft Anstellungsverträge oder -angebote aus der Wirtschaft hatten, erhielten darum kurz nach ihrem Abschluss die ultimative Aufforderung, Frankreich umgehend zu verlassen. Das schuf auch zahlreiche soziale Härtefälle. Guéant beschuldigt deswegen seine Untergebenen des "Übereifers".
Ausländerzahl begrenzen soll Kriminalität beschränken
Der Innen- und Immigrationsminister war zuvor selber Polizeipräfekt und dann Sarkozys rechte Hand im Staatspräsidium gewesen. Er will nicht nur die illegale Immigration bekämpfen, sondern auch die Zahl der legal in Frankreich lebenden Ausländer begrenzen - für ihn auch eine Frage der Sicherheit. Guéant sagte im Sender RMC-BFMTV, die Anteil der Delinquenten sei unter den "Ausländern" "im Durchschnitt zwei bis drei Mal höher" als bei den Einheimischen.
Gestern kündigte Guéant auch an, er wolle mit Vertretern des rechten Flügels der Regierungspartei UMP einen Gesetzesentwurf ausarbeiten, der es erlaube, straffällige Ausländer, die seit einigen Jahren in Frankreich wohnen, auszuweisen und ihnen die Rückkehr zu verbieten. Vier Monate vor den Präsidentschaftswahlen soll Guéant offenbar Wähler, die auf ausländerfeindliche Parolen hören und die Sarkozy an die rechtspopulistische Front National verlieren könnte, bei der Stange halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen