Frankreich vor der Präsidentschaftswahl: Linke verkracht sich bei Urwahl
Eine basisdemokratische Abstimmung sollte endlich Einigkeit bei Frankreichs linken Parteien herstellen. Doch die Gewinnerin wird nicht anerkannt.
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Bei dem Verfahren konnten die Abstimmenden die KandidatInnen auf einer fünfstufigen Skala von „Sehr gut“ bis „Ungenügend“ bewerten. Mit fast 50 Prozent „Sehr gut“-Stimmen hat Taubira dieses Examen klar vor dem Grünen Yannick Jadot, Jean-Luc Mélenchon von der linken France insoumise, dem wenig bekannten Pierre Larrouturou, der sozialistischen Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und zwei Vertreterinnen linker NGOs, Charlotte Marchandise und Anna Aguab-Porterie, gewonnen. Nach der Bekanntgabe des Resultats am Sonntagabend rief Taubira diese zu Geschlossenheit auf – „neben ihr“ und nicht „hinter ihr“.
Doch die meisten der anderen KandidatInnen denken gar nicht daran, nun auf ihre Bewerbung zu verzichten. Mélenchon, Jadot und Hidalgo hatten bereits im Voraus erklärt, dass sie sich diesem Verfahren in keiner Weise verpflichtet fühlen. Jadot konterte: „Ich habe Taubira nichts zu sagen“. Doch ihre Chancen stehen laut Umfragen schlecht. Demnach käme Mélenchon auf knapp 10 Prozent, Jadot auf 6 Prozent und Hidalgo auf nur 2 bis 4 Prozent.
Niemand hat aufgrund dieser Ausgangslage auch nur annähernd eine Chance, am 10. April den zweiten Platz zu erzielen und es so in die Stichwahl – voraussichtlich gegen den Amtsinhaber Emmanuel Macron – zu schaffen. Nur bei einem Zusammenschluss des linken Lagers könnten die Stimmen reichen. Einen solchen hatten die 466.000 UnterzeichnerInnen eines Appells, der der basisdemokratischen Wahl vorausging, inständig gewünscht.
Druck auf Hidalgo steigt
Da auch Taubira Wahlumfragen vor dieser Abstimmung nur 4 bis 6 Prozent voraussagten, braucht sie die anderen linken Parteien geschlossen hinter sich. Ansonsten ist sie nur eine von vielen linken KandidatInnen ohne Erfolgsaussicht.
Die Parteien La France insoumise und Europe-Ecologie-Les Verts (Grüne) scheinen aber nicht gewillt, die Kandidatur Taubiras anzuerkennen, weil diese sie als Konkurrentin Stimmen kosten würde. Wirklich unter Druck steht aber die Sozialistin Hidalgo, deren Kampagne so schlecht gelaufen ist, dass sich auch manche ParteigenossInnen fragen, ob es eine gute Idee war, sie zu nominieren. Die Angst vor einer historischen Schlappe ist groß.
Hidalgo selbst hatte sich zunächst für die offenen Primärwahlen ausgesprochen, dann aber – weil Jadot und Mélenchon nicht mitmachten – ihre Position geändert und erklärt, sie wolle mit ihrer Kandidatur ihren „eingeschlagenen Weg fortsetzen“. Dass Hidalgo am Sonntag nun lediglich den fünften Platz erreichte, ist ein zusätzlicher Rückschlag für sie.
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